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Dass Borussia Dortmund in der Bundesliga für Furore sorgt, ist nicht zuletzt das Resultat einer exzellenten Kaderplanung. Geholt wurden sechs Ausländer: der Franzose Abdou Diallo von Mainz 05, der belgische Routinier Axel Witsel von Tianjin Quinjan, der Däne Thomas Delaney von Werder Bremen, der Marokkaner Achraf Hakimi von Real Madrid, der Spanier Paco Alcacer von der Bank des FC Barcelona und der Schweizer Keeper Marwin Hitz von Mainz 05. Einziger deutscher Zugang war Marius Wolf von Eintracht Frankfurt. Ein Jahr zuvor hatten die Borussen bereits den Franzosen Dan-Axel Zagadou (B-Elf von Paris St. Germain) und das englische Supertalent Jadon Sancho (U18 von Manchester City) unter ihre Fittiche genommen. Die Borussen bewiesen einmal mehr, dass sie im Scouting besser waren als die Bayern, deren Augenmerk sich vorwiegend auf „fertige Spieler“ konzentrierte, die bei ihrem bisherigen Verein in der ersten Reihe spielten. Einen Spieler von der Ersatzbank des FC Barcelona oder aus der B-Elf von Paris St. Germain zu verpflichten, wäre für die Bayern nicht in Frage gekommen.

Borussias Erneuerung erfolgte also primär mit Hilfe ausländischer Akteure. Beim 4:3 gegen am 7. Spieltag gegen den FC Augsburg waren nur vier der zehn eingesetzten Spieler „Deutsche“. Die Außenpositionen defensiv und offensiv wurden von Ausländern besetzt. Beim furiosen 4:0-Sieg in der Champions League gegen Atlético Madrid – für die beste Defensivmannschaft Europas war es die höchste Niederlage in der zu diesem Zeitpunkt gut acht Jahre alten Amtszeit von Trainer Diego Simeone – standen in der Startformation mit Marco Reus und Mario Götze nur zwei Kicker, die für die deutsche Nationalelf spielen konnten. Es wäre sogar nur einer gewesen, wäre Goalgetter Alcacer nicht verletzt ausgefallen. Zwei der drei später eingewechselten Spieler waren ebenfalls keine Deutschen, der dritte war Deutscher syrisch-kurdischer Herkunft.

„Wir wollen den Kern unserer Kabine und der Mannschaft deutsch haben. Wir wollen die Tugenden des deutschen Fußballs hier haben und den deutschen Fußball auch in der Welt repräsentieren.“ So Hasan Salihamidzic, Sportdirektor des FC Bayern, vor dem Start in die Saison 2018/19 über die künftige Kaderpolitik des Rekordmeisters. Aber daraus wird nichts. Stattdessen versucht sich der FC Bayern nun an einer Kopie des BVB. Folgende Spieler sollen den FC Bayern erneuern: Callum Hudson-Odol (18, Engländer), Benjamin Pavard (22, Franzose), Alphonso Davies (18, Kanadier), Lucas Hernández (22, Franzose) und Adrien Rabiot (23, Franzose). Offensichtlich mangelt es an hochklassigen deutschen Talenten – zumindest für bestimmte Positionen. Bereits in München ist Kingsley Coman (22, Franzose).

Die Bundesliga ist gewissermaßen eine Fortbildungsliga für Talente aus England und Frankreich. Nach Deutschland kommen englische Talente, für die es noch nicht zu einem Stammplatz in den Ensembles von Manchester City, Chelsea etc. reicht. (Wohl aber für Leroy Sané, im Offensivspiel vielleicht Deutschlands größte Hoffnung…) Und französische Talente, die für die französische Liga „zu gut“ sind, aber für die Topadressen der Premier League und Primera Division nicht gut genug oder noch nicht ausreichend reif. Frankreich hat ein exzellentes Ausbildungssystem. Die Bundesliga ist gewissermaßen dessen nächste Ausbildungsstufe, vergleichbar mit der Rolle der hiesigen zweiten Mannschaften der Profiklubs. In der Bundesliga werden die Talente an den ganz großen Fußball herangeführt. Die französischen Kicker bringen häufig etwas mit, was bei deutschen Profis vermisst wird. Ralf Rangnick, Sportdirektor und Trainer von RB Leipzig: „Wir suchen nach Spielern, die Straßenfußballkultur haben, mit einer guten technischen und taktischen Ausbildung. Frankreich ist dafür ein guter Markt. Das Land hat von der Qualität, aber auch der Breite her ein sehr gutes Ausbildungsniveau bei den Jugendmannschaften.“ Mainz 05-Manager Rouven Schröder beobachtet, dass die Franzosen „sehr robust und gut ausgebildet“ seien und eine „gewisse Dynamik“ besäßen. Nicht nur die, die von Erstligavereinen kommen, sondern auch Spieler aus der zweiten französischen Liga. Für französische Talente hat die Bundesliga eine hohe Anziehungskraft, wobei geografische Nähe, die Stimmung in den Stadien und natürlich auch die höhere Qualität gegenüber der einheimischen Liga eine Rolle spielen. (Von den 23 Spielern des aktuellen französischen Kaders spielen nur acht in Frankreich. Jeweils drei bei Paris St. Germain und Olympique Marseille, jeweils einer bei Olympique Lyon und AS Monaco.)

Der BVB war über Jahre bekannt für seine exzellente Nachwuchsarbeit in der Region. Heute rekrutiert der Verein Nachwuchsspieler aus Südafrika, Frankreich oder Holland. Als der „Kicker“ BVB-Sportdirektor Michael Zorc die Frage stellte, ob das Leistungszentrum nicht mehr genügend gute Jungs ausspucke, antwortet dieser: „Jacob Bruun Larsen haben wir mit 15 von einem ganz kleinen Verein in Dänemark geholt. Christian Pulisic ebenfalls mit 15 von einem College in den USA. Immanuel Pherai aus Alkmaar. (…) Das sind alles Spieler, die ich als eigene Jungs ansehe, auch wenn sie einen anderen Pass haben. Borussia Dortmund ist ein Champions-League-Klub, der nach Möglichkeit die Gruppenphase überstehen will. Dafür brauchen wir auch die besten Toptalente – und nicht zwingend ausschließlich welche aus Dortmund, Hamm und Umgebung. Wenn es dort auch welche gibt, umso besser.“ Deutsche Nationalspieler sind eher ein Nebenprodukt der NLZs. In erster Linie geht es um Spieler für den Klub, und da spielt die Nationalität keine Rolle, was auch in Ordnung ist. Rein theoretisch könnte man wunderbare NLZs haben – aber mit nur wenig Stoff für eine starke deutsche Nationalmannschaft. Die Ausbildungsinteressen von DFB und der DFL-Vereine sind nur bedingt kompatibel. Weshalb man von Jogi Löw nicht verlangen sollte, dass er 2020 und 2022 ein ähnlich starkes Ensemble in die Turniere schickt wie 2014.

 

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