Lebenslauf
Geboren wurde ich am 8. Dezember 1956 in Kamen. Die meisten Menschen kennen diese Stadt nur aus den Verkehrsnachrichten („Kamener Kreuz“). Manche wissen aber auch, dass sich im Kamener Stadtteil Methler die Sportschule Kaiserau befindet, wo ich 1967 mein erstes Fußball-Autogramm ergatterte.
Die deutsche Nationalelf bereitete sich auf das EM-Qualifikationsspiel gegen Albanien im Dortmunder Stadion „Rote Erde“ vor. Also radelte ich die fünf Kilometer zur Sportschule, wo ich mit einer Unterschrift meines Idols Hans Tilkowski belohnt wurde. Einen Tag später absolvierte „Til“ sein 39. Und letztes Länderspiel für Deutschland.
Zum Fußballfan war ich erst ein Jahr zuvor geworden - dank Borussia Dortmunds Sieg im Europapokal der Pokalsieger und der WM 1966 in England. In meinem akademisch geprägten Elternhaus war Fußball nicht so angesagt. In der Volksschule wussten die Kinder der Bergarbeiter alles über den Fußball – ich hingegen nichts. Anfangs dachte ich sogar, bei „Borussia Dortmund“ würde es sich um einen Spieler handeln - vermutlich einen Russen...
In den nächsten Jahren musste ich die Erfahrung machen, dass der Normalzustand eines Fußballfans das Leiden ist. Mit Borussia Dortmund hatte ich mir einen Verein ausgesucht, mit dem es nun stetig bergab ging – bis in die Regionalliga West.
Die WM 1974...
war für mich ein Erweckungserlebnis. Nicht weil ich erstmals einem deutschen WM-Triumph beiwohnen durfte. Es waren die langhaarigen und offensiv gestimmten Kicker aus den Niederlanden, die mich begeisterten. Totaal Voetbal wurde meine Philosophie und Religion, Johan Cruyff mein Idol.
Wie es sich für einen jungen Menschen gehört, wollte ich die Welt verändern. Marx, Engels, Che Guevara und Salvador Allende lösten eine gewisse Faszination aus, aber Johan Cruyff schlug sie alle.
In der Schule habe ich mich in der Regel gelangweilt. Auch war ich ziemlich faul. Was zur Folge hatte, dass ich das Abitur mit einiger Verzögerung baute. Mein viertes Abiturfach war Sport. Thema der theoretischen Prüfung: „Fußball und Politik am Beispiel der WM 1978 in Argentinien“, womit gleich zwei meiner größten Leidenschaften angesprochen wurden: Fußball und Politik.
Nach dem Abitur ging ich zum Studieren und Politikmachen nach Münster und Frankfurt. Es folgten Engagements in der Friedens- und Konfliktforschung sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestags.
Bis Ende der 1980er...
war der Fußball für mich nur noch eine Nebensache. Andere Dinge waren wichtiger. Die Welt schrie unverändert nach Veränderung – woran sich bis heute leider nichts geändert hat…
1989...
ging ich mit meiner jungen Familie für 1 ½ Jahre nach Nordirland, meine Frau Lisa arbeitete dort als Ärztin, wo ich nicht nur über den Nordirlandkonflikt forschte und schrieb, sondern auch erste Beiträge über den Fußball publizierte. Diese beschäftigten sich mit den gesellschaftlichen und politischen Hintergründen der sogenannten „Hillsborough“-Katastrophe und dem Zusammenhang von Fußball, Religion und Politik in Nordirland und Schottland.
Zurück in Deutschland wurde der Fußball zu meiner Profession. Als äußerst glücklich erwies sich in diesem Zusammenhang mein Kontakt zum Verlag Die Werkstatt in Göttingen.
Mein erstes Fußballbuch erschien im Herbst 1992...
und hatte den Titel „Der Gezähmte Fußball. Zur Geschichte eines subversiven Sports." Es war zugleich auch das erste Fußballbuch im Verlag Die Werkstatt, der sich bis dahin vorwiegend politischen und ökologischen Themen gewidmet hatte. „Der gezähmte Fußball“ legte den Grundstein für ein neues Verlagsprogramm und den Aufstieg des Göttinger Verlagshauses zur Nr.1 auf dem deutschen Fußballmarkt.
Christoph Biermann schrieb damals in der „tageszeitung“ (taz): „Manchmal schlägt man ein Buch auf und fragt sich nach einer durchlesenen Nacht, warum es das nicht schon vorher gegeben hat. (...) Dieses Buch schafft nämlich den Durchbruch. Es ist der erste ernsthafte Versuch einer Fußballgeschichte in Deutschland, die auch die politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen des Spiels einbezieht. (...) Ein brillanter Steilpass aus defensiver Sprachlosigkeit und vagen Mittelfeldgeraune."
2010 listete das Magazin „11Freunde“ in einem Sonderheft über die 1990er „Der gezähmte Fußball“ unter den „besten Fußballbüchern des Jahrzehnts.“ Mit diesem Buch seien gleich zwei Ären gestartet worden: „Die von Dietrich Schulze-Marmeling als fußballverrücktem Allesschreiber und die des Göttinger Verlags ‚Die Werkstatt‘ als Produktionsstätte für hochklassige Fußballliteratur. Als einer der ersten Autoren versucht sich Schulze-Marmeling an einer gebündelten Zusammenfassung der sozialen und politischen Geschichte des Sports. (…) Wer sich Fußball-Intellektueller schimpfen will, kommt um dieses Buch nicht herum.“
Es folgten u.a. Bücher über Borussia Dortmund („Der Ruhm, der Traum und das Geld. Die Geschichte von Borussia Dortmund) und den FC Bayern München („Die Bayern. Geschichte eines Rekordmeisters“), denen der Charakter von „Standardwerken“ attestiert wurde und die in mehreren Auflagen erschienen. Ebenso erging es meinen Veröffentlichungen „Geschichte der Fußballweltmeisterschaft“ und „Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft“.
Für mich sind die wichtigsten Veröffentlichungen „Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball“ (2003) und „Der FC Bayern und seine Juden – Aufstieg und Zerschlagung einer liberalen Fußballkultur“. Zwei Bücher, die erfolgreich das Ziel verfolgten, die aus der Geschichte des deutschen Fußballs zunächst herausgeschriebenen und anschließend in Vergessenheit geratenen jüdischen Bürger in diese zurückzuholen.
Allerdings habe ich die Jahre seit 1992 nicht nur am Schreibtisch verbracht, sondern auch an der frischen Luft. 20 Jahre habe ich beim TuS Altenberge 09 Juniorenmannschaften trainiert. Höhepunkte waren fünf Kreismeisterschaften, zwei Kreispokalsiege und Teilnahmen am Northern Ireland Milk Cup 2004 und 2006 (mit Siegen u.a. über Cruz Azul und Sheffield United und einer knappen Halbfinalniederlage gegen Spartak Moskau) und Foyle Cup 2005 (mit einem Sieg über die Auswahl der Republik Irland). Mit Freunden organisiere und unternehme ich regelmäßig Fußball- und Kulturreisen (Manchester, Liverpool, London, Amsterdam, Wien, Belfast). Und den Samstagnachmittag verbringe ich häufiger im Stadion des mit dem Fahrrad erreichbaren SC Preußen Münster, Gründungsmitglied der Bundesliga. Der Fußball, der hier geboten wird, ist zwar selten ein Genuss und ziemlich weit von Johan Cruyff entfernt. Aber dafür geht es noch authentisch zu. Es gibt nur Bratwurst, Pommes und Bier – und das ohne Bezahlkarte.