Am 5. Oktober spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Belfast gegen Nordirland. Eine kleine Gruppe, zu der u.a. die Werkstatt-Lektoren Bernd Beyer und Christoph Schottes sowie Werkstatt-Autor Gregor Schnittker gehören, wird aus diesem Anlass in Belfast eine kleine Fußballtour unternehmen. Auf dem Programm stehen u.a. Glentoran Belfast, Belfast Celtic Museum, Museum der Irish Football Association (IFA), George Best House, die Grabstätten der Legenden Elisha Scott und Charlie Tully, Wandgemälde zum Thema Fußball (und Fußball & Politik) sowie diverse Pubs, die mit dem Fußball zu tun haben.
Im Folgenden ein Überblick über die Belfaster Fußballlandschaft und Derbys. Der Beitrag erschien bereits in kürzerer Form im „Zeitspiel“-Magazin.
Belfasts Derby-Geschichte ist aus zwei Gründen kompliziert. Erstens: Es gibt gleich mehrere Derbys – einige sind „ethno-kultureller“ Art, andere nur durch sportliche und geografische Rivalität geprägt. Zweitens: Das größte Derby in der Geschichte nicht nur des Belfaster Fußballs, sondern auch des nordirischen, ja sogar des irischen überhaupt, existiert bereits seit über sechs Jahrzehnten nicht mehr, ist aber immer noch ein Thema, zu dem periodisch ausführliche Zeitungsartikel und Bücher erscheinen.
Geteilte Stadt
Der Westen der Stadt ist überwiegend katholisch bzw. irisch-nationalistisch geprägt. Mit Shankill, einer ziemlich heruntergekommenen Hochburg des militanten Loyalismus, die vom katholischen Teil des Westens durch eine hohe Mauer getrennt wird, als Ausnahme.
Der Osten, einst Standort der großen Industrien Belfasts, namentlich des Schiffbaus, ist ganz überwiegend protestantisch bzw. unionistisch. Norden und Süden sind konfessionell gemischt, was aber nicht bedeutet, dass sich hier Katholiken und Protestanten Straßen und Viertel teilen. Im Gegenteil: Im Norden, in den Jahren des Bürgerkriegs ein sektiererisches „killing field“, werden Katholiken und Protestanten durch Mauern getrennt. Gemischt geht es nur in einem Teil des Südens zu, in einigen besseren Straßen rund um die Queen’s University.
West-Belfast ist das größte urbane Siedlungsgebiet der nordirischen Katholiken, das aber seit 1949 nicht mehr in der höchsten nordirischen Fußballiga vertreten ist. Damals zog sich Belfast Celtic FC, ein kleiner Bruder vom Celtic FC aus Glasgow, vom Spielbetrieb zurück, nachdem es beim Derby mit dem protestantischen/unionistischen Linfield FC zu schweren Ausschreitungen gekommen war. Die Derbys zwischen Celtic und Linfield mobilisierten Zuschauermassen, von denen der heutige nordirische Ligafußball nur träumen kann.
Die Geschichte von Belfast Celtic kann man im Belfast Celtic Museum besichtigen. Das 2010 eröffnete Museum, das von der Belfast Celltic Society betrieben wird, ist in einem Shopping-Center untergebracht, das genau an der Stelle steht, wo sich einst das Stadion Celtic Park befand.
Windsor Park
Windsor Park, die Spielstätte des Linfield FC und der nordirischen Nationalmannschaft im Süden der Stadt, liegt nur wenige hundert Meter Luftlinie vom ehemalige Celtic Park entfernt. Linfields Wiege stand etwa einen Kilometer weiter östlich in Sandy Row, einem protestantischen/loyalistischen Arbeiterviertel. Linfield galt viele Jahre als „protestantischster“ Klub Nordirlands, als nordirische Ausgabe der Glasgow Rangers. Wie Rangers FC spielt Linfield in den britischen Farben blau-rot-weiß. In der Vergangenheit sah sich kein anderer nordirischer Klub so massiv mit dem Vorwurf des antikatholischen Sektierertums konfrontiert wie Linfield. Der Klub praktizierte jahrzehntelang eine „no catholics“-Politik, und die Atmosphäre auf den Rängen war militant antikatholisch. Mittlerweile spielen auch einige Katholiken bei Linfield, aber das Publikum ist unverändert fast zu hundert Prozent protestantisch. Ein harter und militanter Kern der Fans kommt von der loyalistischen Shankill Road (s.o.).
Randbemerkung: Windsor Park ist das größte und modernste Fußballstadion Nordirlands und auch Spielstätte der nordirischen Nationalelf, wovon der Klub profitiert – zum Missfallen der Rivalen. Die Lage des Stadions ist ein Grund, warum nur wenige Katholiken zu den Auftritten der nordirischen Auswahl kommen.
Die „Großen“ im Belfaster Fußball
Seit dem Ausfall von Belfast Celtic ist Glentoran aus dem Osten der Stadt Linfields größter Rivale. Linfield und Glentoran sind auch mit Abstand die größten und professionellsten Klubs in Belfast und Nordirland, weshalb sie auch Belfast’s Big Two genannt werden. Das Glentoran-Stadion „The Oval“ befindet sich in Nachbarschaft zur Werft Harland & Wolff (wo die Titantic gebaut wurde) in einem protestantisch-loyalistischem Arbeiterviertel. Die Rivalität der beiden Belfaster „Großen“ ist also eine rein geografische, bei der es aber immer wieder zu Ausschreitungen von Fans kommt, mit körperlichen Auseinandersetzungen zwischen militanten Loyalisten aus Ost-Belfast und militanten Loyalisten aus Süd- und West-Belfast.
Im Norden der Stadt haben mit dem Cliftonville FC und dem Crusaders FC gleich zwei Erstligaklubs ihre Heimat. Cliftonville wurde 1879 gegründet und ist damit der älteste Fußballklub Irlands. Ursprünglich eine eher protestantische Adresse, änderte sich dies Ende der 1970er Jahre. Im Zuge der Vertreibung von Katholiken/Nationalisten aus dem Osten Belfasts hatte die katholisch-nationalistische Bevölkerung im Norden der Stadt – genauer: rund um das Stadion „Solitude“ – stetig zugenommen. In der Folge wurde der Cliftonville-Anhang katholischer und nationalistischer. Ein Teil der Fans kam und kommt auch aus dem katholischen Westen Belfasts – aufgrund des Fehlens eines eigenen Topklubs. Crusaders FC hat eine ausschließlich protestantisch-loyalistische Anhängerschaft.
Trotz der geografischen Nähe der beiden Klubs: Belfasts „ethno-kulturelles“ Derby Nr. eins ist Linfield gegen Cliftonville, kommt aber vom mobilisierten Interesse her nicht annähend an die großen Derbys zwischen Linfield und Belfast Celtic bzw. oder Glentoran und Belfast Celtic heran, zu denen wiederholt über 20.000 Zuschauer pilgern.
Stadion „The Oval“ von Glentoran FC in East Belfast
Fußball-Wandbild in East Belfast, das einen Sieg der nordirischen Nationalelf über England feiert
“The Wall” – die Mauer zwischen dem katholischen / republikanischen Lower Falls-Gebiet in West Belfast und dem protestantischen/loyalistischen Shankill. Diesseits der Mauer fiebert man mit Cliftonville und Celtic Glasgow, auf der anderen Seite mit Linfield FC und den Rangers aus Glasgow.
Das Grab von George Best auf dem Roselawn Cemetery
Wandbild George Best in Sandy Row, South Belfast
Die Fußballklubs in Belfast im Überblick
Linfield FC (South Belfast)
Gegründet: 1886
Vereinsfarben: blau-weiß-rot
Stadion: Windsor Park (18.000) South Belfast
Anhängerschaft: protestantisch (South Belfast: Village, Sandy Row, West Belfast: Shankill)
Glentoran FC (East Belfast)
Gegründet: 1882
Vereinsfarben: grün-rot-schwarz
Stadion: The Oval (26.000, aus Sicherheitsgründen werden aber nur max. 6.050 zugelassen), East Belfast
Anhängerschaft: überwiegend protestantisch (East Belfast)
Cliftonville FC (North Belfast)
Gegründet: 1879
Vereinsfarben: rot-weiß
Stadion: Solitude (6.200 – aus Sicherheitsgründen werden aber nur 2.530 zugelassen), North Belfast
Anhängerschaft: überwiegend katholisch (North Belfast, West Belfast)
Donegal Celtic (West Belfast)
Gegründet: 1970
Vereinsfarben: grün-weiß („Hoops“, wie Belfast Celtic und Glasgow Celtic)
Stadion: Suffolk Road (2.000), West Belfast
Anhänger: katholisch (West Belfast)
Belfast Celtic (nicht mehr existent)
Gegründet: 1891
Farben: grün-weiß („Hoops“, wie Glasgow Celtic)
Stadion: Celtic Park (35.000), West Belfast
Anhänger: fast ausschließlich katholisch (West Belfast, hier insbesondere Falls Road)
Rückzug aus dem Ligabetrieb während der Saison 1948/49
Belfast Celtic Museum / Belfast Celtic Society
Park Centre, Donegall Road, Belfast
Crusaders FC (North Belfast)
Gegründet: 1886
Farben: schwarz-rot
Stadion: Seaview (3.383), North Belfast
Anhänger: protestantisch (North Belfast)