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Fußball

 

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Laut transfermarkt.de bestand der Kader des FC Bayern München in der Saison 2018/19 aus 26 Spielern – vier von ihnen waren Torhüter. Viele Journalisten waren der Auffassung: 22 Feldspieler sind zu wenig für einen Klub, der auf drei Hochzeiten tanzen will. Nach Möglichkeit bis zu deren Ende. Für viele Spieler waren es sogar vier Hochzeiten, da auch noch die Nationalmannschaft ihres Landes hinzukam.

Der Kader des FCB war der kleinste der Liga. Aber ein größeres Problem als seine „geringe“ Größe war vielleicht, dass es auch der älteste und überspielteste Kader der Liga war. Was die Verletzungsanfälligkeit erhöhte. Trotzdem reichte es für die Bayern am Ende zum „Double“. In der Champions League scheiterte man am späteren Sieger FC Liverpool.

Obwohl es für die 22 Bayern-Feldspieler eigentlich ausreichend Spielmöglichkeiten gab, herrschte bei einigen von ihnen Unzufriedenheit. Als Trainer Niko Kovac die Rotation ausrief, was absolut nachvollziehbar war, gingen einige der Etablierten auf die Barrikaden. Kovac entgegnete damals denjenigen, die einen größeren Kader und weitere Stars forderten: „Wir können für 50, 60 Millionen Topleute kaufen, aber es ist dann nicht mehr so einfach, einen davon auf die Bank zu setzen. (…) Neue Topspieler kosten viel Geld, dazu gibt es Unfrieden. Ich würde mir wünschen, dass sich diese Besserwisser, die von außen neue Stars fordern, eine Woche bei uns in der Kabine aufhalten.“ Anstatt eines größeren Kaders forderte Kovac mehr „Polyvalenz“ von seinen Spielern: „Spieler müssen heutzutage zwei, drei Positionen spielen können.

Spieler wollen eben spielen. Nach Möglichkeit immer. Trainieren hingegen nicht immer. Denn ein anderer Kritikpunkt der Etablierten war die Intensität des Trainings.

Wie muss dies erst einmal bei einem Klub aussehen, dessen Spieler deutlich weniger Pflichtspiele bestreiten als die Bayern? Also bei einem Klub, der europäisch nicht dabei ist und im Pokal bereits in der ersten Runde die Segel streichen musste. Wo also für einige Akteure der Aufwand des Trainings in keinem Verhältnis zu ihren Spielzeiten steht.

Ein großer Kader liefert keine Garantie für sportlichen Erfolg, wie in der Saison 2018/19 ein Blick in die 3. Liga zeigte, wo die Vereine in der Regel 38 Ligaspiele plus Landespokal (wo dann nicht immer die Stammformation spielt) absolvieren. Die größten Kader besaßen 1860 München (31), Eintracht Braunschweig, KFC Uerdingen und Energie Cottbus (je 30). Schaut man sich die Prognosen vor dem Saisonstart an, so waren die heißesten Kandidaten auf die ersten drei Plätze Braunschweig, Kaiserslautern, Karlsruhe, Uerdingen, 1860 München und Rostock. Am Ende konnte nur der KSC die Erwartungen erfüllen. Rostock wurde Sechster, Lautern Neunter, Uerdingen Zehnter, 1860 Zwölfter und Braunschweig entging nur hauchdünn dem Abstieg.

Bei den Kadergrößen bildeten Klubs wie Preußen Münster und VfL Osnabrück (je 27) das Mittelfeld. Osnabrück wurde Meister, Münster Achter. Beide rangierten über den Erwartungen, Osnabrück sogar sehr deutlich. Zum Saisonstart waren beide Klubs in einigen Prognosen auf einem Abstiegsplatz gelandet.

Einer der interessantesten Vereine der Liga war die viel zu wenig beachtete SpVgg Unterhaching, die auf Platz zehn abschloss. Hier bewegten sich die Prognosen zwischen Platz 13 und Platz 18. Die Hachinger Neuzugänge im Sommer 2019: vier Spieler aus der eigenen U19, die lediglich in der Bayernliga spielt. Zwei Spieler aus der Regionalliga und zwei aus der 2. Bundesliga, wobei letztere in der Saison 2017/18 addiert auf nur acht Einsätze gekommen waren. Kadergröße der Hachinger: 26. Der Spieleretat des Klubs dürfte mit geschätzten zwei Mio. Euro etwa ein Drittel dessen betragen haben, was die Zweitligaabsteiger Braunschweig und Kaiserslautern investierten. Offensichtlich betrieb die SpVgg. eine deutlich klügere (und preiswertere) Kaderpolitik als Braunschweig, 1860 München, Kaiserslautern etc. Von Vorteil war hier vielleicht, dass Sportdirektor und Trainer aus dem eigenen Stall kamen und deshalb einen breiteren und „entwicklungspolitischeren“ Blick auf die Dinge hatten, sich auch für den Nachwuchs interessierten. Und nicht nach dem nächsten Arbeitsplatz schielten. Außerdem wusste man in Unterhaching, dass man Probleme nicht allein mit finanziellen Mitteln lösen kann. Man muss das verfügbare Potenzial einfach besser machen.

Klingt banal, ist aber nicht selbstverständlich. Was auch mit den kurzen Amtszeiten von Trainern zu tun hat. Viele Trainer orientieren auf den schnellen Erfolg. Die einen, weil sie nur so bei ihrem Klub überleben können. (In der 3. Liga wechselten bislang schon neun der 20 Vereine während der laufenden Saison den Trainer.) Die anderen, weil sie noch ein, zwei Etagen höher rutschen möchten. Weshalb Trainer ständig nach neuen Spielern rufen, auch während einer Saison. Dies kann aber negative Folgen für die Stimmung im Kader und dessen Gefüge haben. Denn mit jedem neuen Spieler, der während der Saison anrückt, beginnen drei, vier andere darüber nachzudenken, ob sie noch eine Zukunft bei ihrem aktuellen Arbeitgeber haben. Und die Zahl der Spieler, die unzufrieden ist, weil ihre Spielanteile gering sind, wird weiter erhöht.

Aktuell wird wohl keine Mannschaft stärker strapaziert als die des FC Liverpool. Die „Reds“ bestritten im Zeitraum 4. August 2019 bis 5. Januar 2020 34 Pflichtspiele in 155 Tagen. Die Mannschaft wird in dieser Saison auf mindestens 55 und maximal 64 Spiele kommen. (Wenn die „Reds“ bis zum Finale im FA-Cup jeweils ein Wiederholungsspiel bestreiten müssen, sind es sogar 68.) Dafür ist der Kader relativ klein. Er besteht aus 30 Spielern, vier von ihnen sind Torhüter. Fünf der 26 Feldspieler sind die Teenager Sepp van den Berg (18), Ki-Jana Hoever (17), Harvey Eliott (16), Rhian Brewster (19) und Curtis Jones (18). Bei Transfermarkt.de werden diese Spieler und Nathaniel Philipps (22) nicht aufgeführt, weshalb Klopps Kader hier sogar nur aus 24 Spielern (vier Torhüter, 20 Feldspieler) besteht. (Brewster wurde mittlerweile ausgeliehen.)

In der Saison 2015/16 absolvierte Europa-League-Finalist Liverpool 63 Pflichtspiele (gegenüber 53 2018/19). Klopp damals: „Wenn es so bleibt, müssen die Kader größer werden.“ Dies war wohl mehr als Aufforderung zu verstehen, die Zahl der Spiele zu reduzieren. Denn nun erklärt Klopp: „Die Zeit ist nicht reif für einen 30-Mann-Kader mit der komplett erforderlichen Qualität. Ein solcher Kader muss moderiert werden. Den Jungs sagen, ihr spielt mittwochs, die anderen samstags, das funktioniert ja so nicht. Den noch holen und den noch holen? Freunde, wir sind jeden Tag zusammen. Wenn jemand gar keine Chance hat, zu spielen, dann wird er nicht besser dadurch. Er verliert an Qualität. Die Qualität, die er dann nur noch hätte, die brauchen wir nicht mehr. Das heißt, wir müssen mit einer gewissen Anzahl Spieler an der Kante arbeiten und auf Verletzungen vorbereitet sein.“

Sofern man nicht auf mehreren Hochzeiten tanzt, sollte man den Kader eher „klein“ halten. Nicht mehr als 20 Spieler, bei einem Profiklub vielleicht 25. Niko Kovac: „Ein Kader mit 25 Mann bedeutet 14 Unzufriedene und Unruhe.“ Wichtig sei eine gute Gliederung der Altersstruktur der Mannschaft: „Man braucht vier, fünf Spieler mit Erfahrung, dazu zwei, drei junge. Der Großteil muss aus einem Mittelbau bestehen, zwischen 22 und 28 Jahren.“

Bei einem zu großen Kader haben zu viele Spieler das Gefühl, dass sie keine Rolle spielen – es sei denn, der Trainer spricht ständig mit ihnen, erklärt ihnen seine Entscheidungen. Sind sie dann plötzlich doch gefragt, beispielsweise auf Grund einer Verletzungsmisere, reüssieren sie häufig nicht, weil ihnen Spielpraxis fehlt. Wodurch sich der Trainer in seiner sportlichen Einschätzung des Spielers bestätigt fühlt und nun nach Verstärkungen ruft. Auch müssen die Spieler jenseits der Nummer 20 keine erfahrenen Profis sein. Hungrige Perspektivspieler tun es auch. Alles andere kostet nur unnötig Geld. Es schafft auch keine Konkurrenz, sondern fördert lediglich die Unzufriedenheit. Und ist die Trainingsgruppe verletzungsbedingt zu klein, dann kann man diese mit U19- und U21/U23-Spielern auffüllen. Vorteile: 1. Der Trainer kann schauen, wie sich diese Spieler an der Seite und im Wettkampf mit erfahrenen Profis behaupten. 2. Trainer und Verein signalisieren diesen Spielern, dass eine Durchlässigkeit existiert. Dass sie die Chance besitzen, in nicht zu ferner Zukunft richtig dabei zu sein. Sofern sie diese Chance nutzen. Besetzt man die Positionen 21 ff. mit erfahrenen Profis (im Falle der 3. Liga: mit Vollprofis), besteht die Gefahr, dass diese recht bald nicht mehr richtig „bei der Sache“ sind. Eine Profikarriere ist kurz. Ein erfahrener Spieler / Vollprofi, der im Kader eine Position jenseits der Nr. 20 bekleidet und kaum Chancen auf Einsätze hat, wird sich schon nach wenigen Monaten Gedanken über seine Zukunft machen und sich entsprechend umsehen.

Der Kader der Hachinger war in der Saison 2018/19 so strukturiert, dass es hier relativ wenig Anlass zur Unzufriedenheit gab. Die vier Ex-U19-Spieler dürften kaum erwartet haben, dass sie es auf Anhieb in die Stammformation schaffen.

2018/19 verabschiedeten sich aus Manchester Citys Talentschmiede Jadon Sancho (BVB), Javairo Dilrosun (Hertha), Brahim Diaz (Real Madrid) und Rabbi Matondo (Schalke). Pep Guardiola war sauer. Wenn die jungen Leute keine Geduld aufbrächten, „dann sollen sie halt gehen“. Das Problem war aber ein anderes. Freddy Bobic: „Die Engländer kaufen mittlerweile den ganzen Jugendmarkt auf, aber die Spieler können dann nicht spielen, weil der Kader viel zu groß ist.“ Allerdings produzieren die Engländer auch selber. (Zum Paradigmenwechsel in der englischen Ausbildung / in der englischen Premier League siehe Timur Tinc: Diamanten in Hülle und Fülle, in: „Frankfurter Rundschau“ v. 10. Januar 2020).

In Deutschland haben sich einige Vereine in den eigenen Fuß geschossen, als sie ihre U21/U23-Mannschaften abschafften. In der Annahme, ein Spieler sei mit 18, 19 Jahren ein perfekter Profi – oder er würde es nie werden. Mit der Abschaffung der „2. Mannschaft“ gab es für Spätentwickler keinen Platz mehr im Klub. Wie kurzsichtig dies war, zeigt ein Blick in die Niederlande. Vigil van Dijk war im Alter von 17 Jahren „ein langsamer Außenverteidiger und nicht gut genug, um Innenverteidiger zu sein“ (van Dijk). Im zweiten Halbjahr geboren und noch relativ klein war van Dijk ein Opfer des Relative Age Effects (RAE). In den Niederlanden hatte keiner der größeren Klubs Interesse an seiner Verpflichtung. Ajax zog einen anderen Spieler vor, der heute in der zweiten englischen Liga spielt. Von 2011 bis 2013 kickte van Dijk für den FC Groningen, „aber auch nach zwei Spielzeiten in der Eredivisie sah niemand in den Niederlanden sein Potential“ (Christian Eichler in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“). Mit 22 wechselte er zu Celtic Glasgow in die international nur zweitklassige schottische Liga. Zwei Jahre später holte ihn Ronald Koemann zum FC Southampton. Frenkie de Jong (Andrea Pirlo: „Es gibt keinen besseren Mittelfeldspieler“) verbrachte seine ersten beiden Seniorenjahre bei Tilburg (wo er aber kaum zum Einsatz kam) und Jong Ajax. Auch Mathijs de Ligt spielte als Senior zunächst für Jong Ajax.

Wer sein U21/U23-Team abschafft und dazu keinen Mut hat, junge Spieler ins kalte Wasser zu werfen, wie es beispielsweise Klopp in Liverpool macht, raubt Talenten und Spätentwicklern Spielpraxis.

Letzte Sätze zu den Talenten, die es in die 1. Mannschaft eines Erstligisten schafften und angeblich ein Produkt der hauseigenen Nachwuchspolitik sind. Diese besteht zu einem Gutteil im Kaufen von Spielern. Bayerns Joshua Zirkzee (18) stieß erst 2017 ins NLZ des Rekordmeisters. Bis dahin wurde er in den Niederlanden ausgebildet. Und der 16-jährige Bright Arrey-Mbi, der mit ins Trainingslager nach Doha durfte: Kam im Sommer 2019 vom FC Chelsea.

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