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Fußball

 

Die vollbesetzte Fiffi-Gerritzen-Kurve, Heimat der Münsteraner Ultras und benannt nach Felix „Fiffi“ Gerritzen, der 1951 mit dem SC Preußen im Finale um die Deutsche Meisterschaft stand. – CC BY-NC 2.0: Groundhopping Merseburg, „Preußen Münster v Dynamo Dresden, https://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/15804486984/in/album-72157650189620307/

Die vollbesetzte Fiffi-Gerritzen-Kurve, Heimat der Münsteraner Ultras und benannt nach Felix „Fiffi“ Gerritzen, der 1951 mit dem SC Preußen im Finale um die Deutsche Meisterschaft stand. – CC BY-NC 2.0: Groundhopping Merseburg, „Preußen Münster v Dynamo Dresden, https://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/15804486984/in/album-72157650189620307/

Beim SC Preußen Münster wird das große Rad bewegt. Ein neuer Vorstand mit dem SPD-MdB Christoph Strässer an der Spitze will den Drittligisten innerhalb der nächsten acht Jahre in die Beletage des deutschen Fußballs führen. Mit Hilfe eines neuen Stadions, das 40.000 Zuschauer fasst.

Die Preußen haben es schwer in ihrer Stadt. Das Stadion an der Hammer Straße ist eine städtische Immobilie, aber die miserabelste Arena der 3. Liga. Aktuell beträgt das erlaubte Fassungsvermögen 15.000. Am Standort Hammer Straße darf nur auf maximal 22.000 Plätze erweitert werden. Im Falle eines Aufstiegs in die zweite Liga, von dem man allerdings derzeit weit entfernt ist (s.u.), könnte sich das Stadion schnell als zu klein erweisen. Eine Sanierung und Erweiterung der aktuellen Spielstätte würde also mitnichten bedeuten, dass ein Neubau und Ortswechsel ein für alle Mal vom Tisch ist.

Der bisherige Kurs

Münster diskutiert bereits seit fast 30 Jahren über „sein“ Stadion. 1989 stiegen die Preußen nach zwischenzeitlicher Drittklassigkeit in die 2. Bundesliga auf. Der damalige Oberbürgermeister stellte dem Klub eine neue Arena in Aussicht. 1991 stieg man wieder in die Oberliga Westfalen ab -– mit dem drittbesten Zuschauerschnitt der zweiten Liga. Mehr Zuschauer mobilisierten nur Meister Schalke 04 und Vizemeister MSV Duisburg. Danach war die Politik froh darüber, dass das Thema Stadion seine Dringlichkeit verloren hatte. In Münsters Stadtrat existiert keine die Fraktionsgrenzen überschreitende Preußen-Lobby, die den Profi-Fußball in der Domstadt pushen will.

Die alte Klub-Führung um Georg Krimphove und Thomas Bäumer hat solide gewirtschaftet und kleinere Brötchen als die Neuen gebacken. Ziel war die 2. Bundesliga, aber nicht zum Preis der Verschuldung. Von der 1. Bundesliga war nicht die Rede. Mit der Stadt entwickelte man Pläne für eine Sanierung des Stadions (s.o.). Außerdem war der alten Riege daran gelegen, den Klub nicht in die Hände von Investoren zu geben, die für manchen Fußballfan ja „das Böse“ im Spiel schlechthin sind. In dieser Saison geriet dieser Kurs ins Schlingern, wobei es schwer fällt, hierfür einzelne Personen anzuklagen.

Ende September schrieben Cathrin Gilbert und Hans-Bruno Kammertöns in der Zeit: „Das Schöne am Fußball ist: Obwohl alle glauben, ihn zu verstehen, wird zu Beginn jeder Spielzeit wieder sichtbar, wie wenig wir ihn doch durchschauen. Oder hat irgendjemand geglaubt, dass Bruno Labbadia mit dem HSV und Markus Weinzierl mit Schalke 04 in fünf Spieltagen nicht ein einziger Sieg gelingen würde?“ Gilbert und Kammertöns hätten hier als weiteres Beispiel Preußen Münster und seinen Trainer Horst Steffen aufführen können

Die kurze Ära Horst Steffen

Horst Steffen, der im Dezember 2015 als Trainer Ralf Loose abgelöst hatte (zur allgemeinen Erleichterung, muss man hinzufügen), war freundlich, kommunikativ und fachlich gut. Als der SCP Steffen verpflichtete, erzählte mir ein Mitarbeiter des Taktikblogs „Spielverlagerung.de“, Steffen sei ein zumindest für Drittligaverhältnisse exzellenter Trainer und hätte bei den Stuttgarter Kickers in den Spielzeiten 2013/14 und 2014/15 starken Fußball spielen lassen. 2014/15 wurden die Kickers in der 3. Liga Vierter – nicht zuletzt dank eines 3:2-Auswärtssieges beim direkten Konkurrenten Preußen.

Vor der Saison hatte Steffen das System auf ein offensives 4-3-3 mit hochstehenden Außenverteidigern umgestellt. Aber im November 2015 wurde er nach einer Serie von Niederlagen vorzeitig entlassen. Die Mannschaft blieb auch unter seinem Nachfolger erfolglos und stieg am Ende in die Regionalliga ab – ein schlechtes Omen für die Preußen. Vermutlich war manche Hymne auf Steffen übertrieben. So beklagt sein Nachfolger Benno Möhlmann, das Team sei konditionell nicht auf Drittliganiveau.

Nun hört man dies nicht das erste Mal von einem Trainer, der eine Mannschaft während einer Saison übernimmt. Diese Diagnose hat den Vorteil, dass sie dem neuen Mann Zeit gibt. Denn konditionelle Mängel lassen nicht von einem Tag auf den anderen abstellen. Ob Möhlmanns Einschätzung zutrifft, vermag ich nicht einzuschätzen. Aber ein schlechter Trainer war Steffen sicherlich nicht. Im Gegensatz zu einigen seiner Vorgänger interessierte er sich auch für die U23 und U19 des SCP, die in der Westfalenliga bzw. U19-Bundesliga spielen.

Vielversprechende Vorbereitung 2016/17

Ein Problem bei Preußens Trainerverpflichtungen scheint zu sein, dass diese nicht entlang einer konkreten Stellenbeschreibung vorgenommen werden. Wie sehr sich der Cheftrainer mit den anderen Bereichen der Fußballabteilung verzahnt, bleibt ihm selber überlassen. Gleiches gilt für die Spielweise. Wobei es in der von starker Spieler- und Trainerfluktuation gekennzeichneten 3. Liga schwierig ist, eine Spielphilosophie zu entwickeln, die über einen längeren Zeitraum Bestand hat.

Die Saison 2015/16 musste Steffen noch mit Looses Personal zu Ende bringen. Das Team, mit dem er in die Saison 2016/17 startete, trug hingegen seine Handschrift – von einigen Ausnahmen abgesehen. Einige der Neuen hatten bereits unter Steffen gespielt. Niemand stellte ihre Qualität in Frage, auch die Presse und die Fans nicht. Im Gegenteil: Einige der Zugänge wurden regelrecht gefeiert. Viele bescheinigten dem SCP eine gute und kluge Einkaufspolitik.

Testspiele gegen den niederländischen Erstligisten Heracles Almelo (3:1) und den FC Valencia (2:4) verführten zu Optimismus. In der Vorbereitung spielte das Team wiederholt einen sehr ansehnlichen Fußball, den man in der Amtszeit von Ralf Loose bitter vermisst hatte. So mancher Fan sah den SCP als heimlichen Anwärter auf die vorderen Plätze, von denen offiziell niemand redete. Auch die Konkurrenz traute dem SCP einiges zu. Lückenlos gut besetzt war das Ensemble allerdings nicht, wie sich zunächst u.a. in der Innenverteidigung zeigen sollte.

Verträge als Altlasten

Es kam der erste Spieltag mit dem Derby gegen Osnabrück, das im heimischen Stadion mit 0:1 in die Hose ging. Nun rächte sich, dass man die Zukunft von zwei älteren Spielern nicht rechtzeitig und konsequent geklärt hatte. Diese besaßen Verträge, die so schön wie Münster waren, für die der Krimphove-Vorstand aber nicht verantwortlich zeichnete. Die Verträge banden Vorstand und sportlicher Leitung die Hände. Für die Drittligaverhältnisse sind die beiden keine herausragenden, aber gute Spieler – nur eben Spieler, die teuer und zumindest in einem Fall charakterlich nicht einfach sind. Wenige Tage vor dem Saisonstart nahm Steffen dann einem der beiden, Amaury Bischoff, die Kapitänsbinde ab und griff damit die alte Hierarchie an.

Der Franzose war tödlich beleidigt und arbeitete nun gegen den Trainer, auf den er wohl ohnehin keinen Bock hatte. Vielleicht wären die Dinge anders gelaufen, wenn Steffen die Degradierung Bischoffs früher vollzogen hätte. So aber war die Stimmung bereits vor dem Anpfiff des ersten Pflichtspiels kompliziert. Und unter Wettkampfbedingungen war es fast unmöglich, diese zu reparieren. Was nun folgte, war auch eine weitere Folge aus der Serie „Der Trainer ist das schwächste Glied in der Kette“.

Fehlstart und Trainerentlassung

Mit Bischoffs Degradierung standen Steffens Neuerwerbungen mehr im Fokus, als es für diese gesund war. Mit der Folge, dass sie kaum oder gar nicht reüssierten. Dies galt vor allem für den neuen Kapitän Michele Rizzi. Und da seine Leute nicht reüssierten, geriet auch Steffen unter Druck. Steffen war in einer Zwickmühle und versuchte sich aus dieser durch Wechsel im Personal und taktische Veränderungen zu befreien, was zuweilen hektisch wirkte.

Die Mannschaft war bald verunsichert und in Grüppchen gespalten. Die Stimmung sank auf den Tiefpunkt. Nach zehn Spieltagen mischte der SCP nicht oben mit, sondern belegte mit nur sieben Punkten den 19. bzw. zweitletzten Platz. Siege gab es einzig gegen die Zweitvertretungen von Mainz 05 (Tabellenletzter) und Werder Bremen (Platz 17) zu bejubeln. Da nicht die geringste Aussicht auf Besserung bestand, wurde Steffen entlassen.

Gleichwohl machten die Verantwortlichen nicht den Eindruck, sie seien von ihrer Entscheidung restlos überzeugt. Einige von ihnen sahen Bischoff zumindest mitverantwortlich für die Situation. Sein Nachfolger Möhlmann dürfte nun wieder stärker auf den Franzosen setzen – angesichts der Tabellensituation und des Kaders bleibt ihm wahrscheinlich auch nichts anderes übrig. Der Spaltung der Mannschaft begegnete Möhlmann mit einem neuen Kapitän: Adriano Grimaldi. Sein Stellvertreter wurde der Ur-Münsteraner Ole Kittner. Die Ex-Kapitäne Bischoff und Rizzi sitzen dafür im Mannschaftsrat.

Mit Platz 19 und der Trainer-Entlassung war aber auch klar, dass der „Weg der Bescheidenheit“ – soll heißen: mit soliden Finanzen und einem sukzessive sanierten und ausgebauten Standort Hammer Straße in die zweite Liga – einen schweren Rückschlag erlitten hatte. Aktuell muss sich das Augenmerk darauf richten, den Absturz in die Regionalliga zu verhindern.

Die Stadionpläne des Walther Seinsch

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Die überdachte Tribüne auf der Gegengeraden. Ansonsten ist man im Stadion an der Hammer Straße Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert. – CC BY-NC 2.0: Groundhopping Merseburg, „Covered terraces“, https://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/16241118427/

Preußens Hoffnungsträger heißt nun Walther Seinsch, der schon den FC Augsburg mit der 1. Bundesliga und einem neuen Stadion beglückt hat. Der 75-jährige Unternehmer will diese Erfolgsgeschichte in Münster wiederholen. Das neue Stadion soll mit Hilfe von Investoren gebaut werden. (Wie ausgelaugt der Preußen-Fan in Sachen Stadion und sportliche Entwicklung mittlerweile ist, wird auch daraus ersichtlich, dass externe Investoren nicht länger als Problem betrachtet werden – zumindest hört man es nicht. Beim Pokalspiel gegen Erkenschwick war auf einem Transparent sogar zu lesen: „Walther, bitte melde dich!“)

Die Stadt muss für den Neubau „lediglich“ das Gelände zur Verfügung stellen. Hier geht es allerdings um satte 220.000 Quadratmeter. Wenn das neue Stadion in Münster nicht zu realisieren ist, will man ins Umland umziehen. Da ein großer Teil der Fans aus dem Umland kommt, ließe sich dies „politisch“ begründen. Der Klub hätte dann den Charakter eines „FC Münsterland“.

Außerdem hat man manchmal den Eindruck, dass das Standing der Preußen im Umland größer ist als in der Stadt, in deren elitären Kreisen es nicht wenige gibt, die beim Thema Preußen und Fußball die Nase rümpfen. (Der Münster-„Tatort“ ist mehr ein Märchen als ein Krimi, erzählt aber trotzdem ein gutes Stück Wahrheit: Börne geht auf den Golfplatz. Thiel ist Fußballfan, als solcher natürlich etwas prollig. Allerdings radelt er im St.-Pauli-Pullover durch die Stadt.)

Augenmaß oder Größenwahnsinn?

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Fans aus Münster und dem Münsterland in Massen ins Stadion strömen, wenn es für die Preußen „nach oben“ geht. Als der SCP in der Saison 2010/11 in die 3. Liga aufstieg, kamen zum letzten Spiel gegen die U23 von Mönchengladbach 18.500 Zuschauer an die Hammer Straße, was damals Rekord für ein Viertligaspiel war. Die Zahl derjenigen, die sich für den Verein interessieren, liegt also deutlich über dem Zuschauerzuspruch der Saison 2015/16, als im Schnitt ca. 7.200 die Stadiontore passierten. Von den 13 Westvereinen in der Liga war nur der VfL Osnabrück besser.

Wenn Seinsch und Co. von bis zu 40.000 Zuschauern träumen, ist dies daher nicht so utopisch, wie es beim ersten Hören anmutet. In der 1. Bundesliga wären zumindest die Begegnungen gegen den FC Bayern und die Westvereine BVB, Schalke, Mönchengladbach und Köln ausverkauft. Und für potentielle Investoren sind Stadion und Klub nur interessant, wenn das Stadion mehr als 30.000 Zuschauer fasst und die Mannschaft in die 1. Bundesliga aufsteigt, in der dann die hohen TV-Gelder fließen.

Seinschs Projekt mag fantastisch und utopisch klingen. Zumal angesichts der Historie von Münsters Stadiondebatte und dem Leistungsstand des aktuellen Teams. Aber manchmal lässt sich der Niedergang nur dadurch vermeiden, dass man den ganz großen Sprung wagt. Dass man in Münster nun zum ganz großen Sprung ansetzt, dokumentiert das Dilemma einer Liga, die von der 1. und 2. Bundesliga finanziell immer stärker abgehängt wird.

Seinsch sagt sich vermutlich: Wenn nicht jetzt, wann dann? Die TV-Gelder werden in den nächsten Jahren weiter steigen, aber gleichzeitig wird die Kluft zwischen den Ligen weiter wachsen. Wahrscheinlich hat Seinsch Recht, wenn er behauptet, dass mit dem alten Stadion und ohne strukturelle Veränderungen mittelfristig nicht einmal die 3. Liga zu halten ist. Auch für die 3. Liga bedarf es eines Sprungs nach vorne, allerdings keiner 40.000-Zuschauer-Arena.

Politische Herausforderungen

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Die im Sommer 2009 eingeweihte überdachte Tribüne, die laut eines Grünen-Mitglieds nur für die „Preußen-Bonzen“ entstanden ist. – CC BY-NC 2.0: Groundhopping Merseburg, „Grand stand with seats in the club colours“, https://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/16425256071/

Aber es bleiben eine Menge Fragen und Probleme. Da ist zunächst einmal die komplizierte politische Landschaft, in der der SCP bislang nicht sehr viele Freunde hatte. Daher ist die Wahl des in der Stadt auch über die Parteigrenzen hinaus anerkannten Sozialdemokraten Christoph Strässer ein kluger Schachzug. Denn in der Vergangenheit waren nur wenige Politiker bereit, sich für den Klub und ein neues, wettbewerbsfähiges Stadion aus dem Fenster zu hängen.

Mit den Grünen war das Verhältnis eine Zeitlang dermaßen zerrüttet, dass der Klub die in Münster sehr starke Partei (20,1 Prozent bei den Kommunalwahlen 2014) nicht zu seinem Jubiläum einlud – was ziemlich unsouverän war. Einige Grüne haben dies bis heute nicht vergessen. Umgekehrt hinterließen einige Grüne beim Umgang mit dem Kulturgut Fußball den Eindruck kompletter Ahnungslosigkeit, intellektueller Arthrose und militanter Fußballfeindschaft. Ein führender Grüner behauptete sinngemäß, die neue Haupttribüne sei nur für die „Preußen-Bonzen“ gebaut worden. (Selbiger soll allerdings Fan des Gazprom-Klubs Schalke 04 sein…)

Dies führte zu dem Eindruck, die Partei sei dem SC Preußen gegenüber zutiefst feindlich eingestellt. Einige Mitglieder arbeiten daran, die Partei von ihrem Image der Preußen- und Fußball-Feindlichkeit zu befreien, und mischen sich mit klugen Gedanken in die Preußen-Debatte ein. Weshalb man nicht völlig ausschließen kann, dass die Grünen beim Seinsch-Plan mitmachen.

Investorensuche

Die nächste Frage ist, ob Seinschs Suche nach Investoren erfolgreich ist. Dies wird auch davon abhängen, ob man in den nächsten Wochen und Monaten eine Aufbruchsstimmung erzeugen kann. Je stärker die Politik Unterstützung signalisiert, desto wahrscheinlicher ist es, dass dies gelingt. Siege der Mannschaft können ebenfalls die Stimmung heben. Niederlagen können hingegen bremsen. Denn kaum ein Investor wird Lust darauf haben, das Projekt in der Regionalliga zu starten, aus der man nur schwer herauskommt. Je länger der SCP im Tabellenkeller hängt, desto lauter wird man den Sinn des Stadionprojekts in Frage stellen und nicht über Augsburg sprechen, sondern über Aachen und Essen, wo neue Arenen nicht den Abstieg in die vierte Ligaebene bzw. das Verweilen in dieser verhindern konnten.

Die Abstiegsgefahr ist durchaus akut. Bei der Zusammenstellung des Kaders für diese Saison ging es um die Verbesserung der Spielkultur. Die Preußen sollten ihre Fans mit attraktivem Fußball unterhalten. (Es ist daher denkbar, dass deshalb in der Vorbereitung die Physis etwas vernachlässigt wurde.) Ein Abstiegskampf war nicht vorgesehen. Nun aber heißt es: Kämpfen, kämpfen, kämpfen. Das ist nicht der Fußball des verfügbaren Ensembles. Und auch mental ist die Mannschaft nicht auf einen Abstiegskampf vorbereitet.

Zu Beginn der Pleiten hieß es immer noch, im folgenden Spiel würde man mit einem Sieg den Hebel umlegen und den Anschluss nach oben herstellen. Beim ersten Spiel unter Möhlmann, im Derby gegen die Sportfreunde Lotte, standen viele feine Füße auf dem Platz, die aber mit dem Acker am Lotter Autobahnkreuz nicht klar kamen und am Ende der engagierten Spielweise des lautstarken Aufsteigers mit 0:1 unterlagen.

Man kennt dies aus der Bundesliga: Darmstadt 98 weiß vom ersten Spieltag an, dass es ausschließlich gegen den Abstieg geht und ist deshalb mental und physisch darauf eingestellt. (Weshalb auch keine schlechte Stimmung aufkommt, wenn man dann tatsächlich gegen den Abstieg kämpfen muss.) Aber wehe dem Team, das ganz andere Ambitionen hegt, dann aber unerwartet in den Abstiegsstrudel gerät – mit einem Kader, der deutlich mehr gute Kicker in seinen Reihen hat als die 98er.

Hoffnungsschimmer?

Muenster_Auswaertsblock
Auch im Gästeblock (hier beim DFB-Pokal-Spiel gegen den VfL Wolfsburg 2010) wird man nass, wenn’s regnet. – fanfotos.net

In der aktuellen Situation ist der 62-jährige Benno Möhlmann vermutlich trotzdem der richtige Mann am richtigen Ort. Nicht nur sportlich betrachtet. Möhlmann bedient auch die nostalgischen Gefühle der älteren SCP-Fans. Er spielte in dem Preußen-Team, das 1975/76 ernsthaft an die Tür zur Bundesliga klopfte. Am 35. Spieltag der 2. Bundesliga Nord besiegte der SCP den späteren Vizemeister und Aufsteiger Borussia Dortmund nach einem mitreißenden Auftritt mit 4:1. Die Bild titelte am nächsten Tag: „Bundesliga, aufgepasst! Die Preußen kommen!“ Aber am Ende musste sich der SCP mit dem undankbaren dritten Platz begnügen. Gegen den BVB war das Preußenstadion mit ca. 45.000 Zuschauern hoffnungslos überfüllt. Seinschs neue Arena wäre für dieses Spiel zu klein gewesen.

In der Politik ist viel davon die Rede, dass der Verein nun liefern muss. Nein, es müssen beide liefern, Verein und Politik. Auch die Politik steht unter Zugzwang und muss Farbe bekennen. Die Message des Seinsch-Projekts lässt sich nämlich auch so lesen: „Was in Augsburg möglich war, wird ja wohl auch in Münster möglich sein. Und wenn nicht, beweist dies nur ein für alle Mal, dass die hiesige Politik weder willens noch fähig ist, die Stadt auf der Landkarte des Profifußballs zu etablieren bzw. Münster ein schlechtes Pflaster für Sport und Fußball ist.“

Seinsch ist, wie geschrieben, 75 und sicherlich nicht sehr geduldig. Er wird mächtig auf die Tube drücken. Er will das neue Stadion noch mit dem Fahrrad erreichen. Seinsch konfrontiert die Politik mit einem Stress- und Lackmustest. Man darf aber auch das folgende Szenario nicht ausschließen: Die Suche nach Investoren gestaltet sich schwierig und der Umgang mit der Politik so kompliziert – viel komplizierter als in Augsburg –, dass Seinsch die Lust an seiner Idee verliert.

Und außerdem gilt noch immer eine Weisheit des Fußball-Philosophen Alfred „Adi“ Preissler, der 1951 mit dem SC Preußen Münster deutscher Vizemeister wurde: „Grau is’ alle Theorie, entscheidend is’ auf’m Platz.“ Münster muss Augsburg nicht nur infrastrukturell erfolgreich kopieren, sondern auch sportlich. Was schwieriger zu planen und umzusetzen ist als ein neues Stadion.

Was Seinsch als Stadion und Modell für die Investoren vorschwebt, ist nicht wirklich etwas für die zweite Liga. Es muss schon die erste Liga werden. In diese möchten aber auch andere Vereine, die gegenüber den Preußen den Vorteil haben, dass sie zumindest schon mal in der zweiten Liga spielen und bei den infrastrukturellen (nicht nur Stadion, sondern auch Trainingskapazitäten) und strukturellen Herausforderungen (Ausgliederung der Ersten Mannschaft, Nachwuchsleistungszentrum) weiter sind.

Zumindest eines aber haben Seinsch und seine Mitstreiter schon erreicht: In die Debatte um das Stadion und die Zukunft des Vereins bzw. des Profifußballs in Münster ist neue Bewegung gekommen. Das Ganze hat schon Züge einer Entscheidungsschlacht um die Zukunft des Profifußballs in der Stadt. Und das muss nicht schlecht sein.

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