von Dietrich Schulze-Marmeling (unter Mitarbeit von Kieran Schulze-Marmeling)
„Es wird nun im ganzen Land nach einem Torjäger gerufen, und in manchen Medien wird Joachim Löw zumindest eine Teilschuld daran gegeben, dass er diese Entwicklung aufgehalten hätte mit seiner Erfindung der ‚falschen Neun‘ in der Nationalmannschaft. Der Vorwurf ist einigermaßen absurd. Denn Löw hat nur darauf reagiert, dass nach Miroslav Klose kein weiterer Topmann stabil zur Verfügung stand.“ — Jan Christian Müller in der „Frankfurter Rundschau“
Dem ist wenig hinzuzufügen. Aber schauen wir erst einmal, was das Fußballvolk bzw. die Millionen von Bundestrainern gemeinhin unter einem „Neuner“ (bzw. klassischen Mittelstürmer) versteht: Der Spieler sollte sich vorwiegend im gegnerischen Strafraum aufhalten sowie groß und kopfballstark (und damit ein Empfänger von Flanken) und ein „Knipser“ sein.
Woher sollen sie kommen, die deutschen „Neuner“?
In der Bundesliga-Torschützenliste der Saison 2015/16 belegt der beste Deutsche mit 20 Toren Platz drei. Der heißt Thomas Müller und ist kein „Neuner“. Zweitbester Deutscher ist mit 14 Toren Sandro Wagner, der mit einer Größe von 1,94 m und einer sehr guten Chancenverwertung (viele Vorlagen bekam er als Spieler von Darmstadt 98 nicht serviert) tatsächlich den klassischen Vorstellungen vom „Neuner“ entspricht. Auf Rang drei rangiert Moritz Hartmann vom FC Ingolstadt, den einige Leser möglicherweise nicht einmal kennen. Der 30-jährige Stürmer hat zwölf Tore geschossen. Ein exzellenter Strafraumspieler, jedenfalls wenn Ball und Gegner ruhen. Hartmann traf siebenmal vom Elfmeterpunkt. Des Weiteren findet man unter den ersten 30 der Rangliste u.a. Marco Reus (12 Tore in 29 Spielen), André Schürrle (9/29), Julian Brandt (9/29) und Daniel Didavi (9/29), die unbestritten keine „Neuner“ sind. Es bleiben noch Pierre-Michel Lasogga (8/30), Kevin Volland (8/33), Nicolai Müller (9/29) und Alexander Meier (12/29).
Lasogga sollte Anfang 2014 in der Nationalelf debütieren, musste aber verletzt absagen und fand anschließend – offenkundig aus sportlichen Erwägungen – keine Berücksichtigung mehr. Kevin Volland wurde vor der WM 2014 lautstark als Mittelstürmer gerufen, wobei übersehen wurde, dass Volland ein Außenspieler ist. Nicolai Müller misst nur 1,73 m und ist vor allem ein Sprinter, benötigt also Raum vor sich, um seine Qualitäten auszuspielen. Alexander Meier (1,96 m) spielt im offensiven Mittelfeld oder im Sturm und war in der Saison 2014/15 mit 19 Toren Bundesliga-Torschützenkönig. Noch weniger (18) reichten für die Kanone zuletzt in der Saison 2001/2002 (Martin Max, Marcio Amoroso). Karim Bellarabi, dessen Daheimbleiben manche bedauerten, ist auch kein „Neuner“ und zudem nicht sonderlich torgefährlich. In der Saison 2015/16 standen sechs Tore in 33 Bundesligaspielen und null bei sechs Champions League-Auftritten zu Buche. Max Kruse, im März nach Vorfällen abseits des Platzes der Nationalmannschaft gestrichen, spielte beim VfL Wolfsburg eine mäßige Saison und traf in 32 Spielen nur sechsmal.
Wenn die Kriterien körperliche Präsenz, Kopfballstärke und Torgefährlichkeit lauten, dann wären für die Position des „Neuners“ in der Nationalelf eigentlich nur Wagner und Meier in Frage gekommen. Meier ist aber bereits 33. Wagner (28) gehört zu der Combo, die 2009 U21-Europameister wurde. In der Bundesliga kam er erst in der letzten Saison richtig auf Touren. Wir können uns auch nicht daran erinnern, dass jemand hörbar seine Nominierung für Frankreich gefordert hat. Und man darf zumindest in Frage stellen, ob seine Qualität für eine EM gereicht hätte. So blieb Löw nur Mario Gómez, der sich aber auch erst in der Saison 2015/16 wieder ins Gespräch brachte – nach zwei glücklosen und von Verletzungen geprägten Jahren in Florenz. Und es blieb der „falsche Neuner“.
Was ist der „falscher Neuner“?
Es wird manchmal so getan, als sei der „falsche Neuner“ eine böse Erfindung Jogi Löws. Teil eines infamen Planes, dem deutschen Fußball auch noch das letzte Deutsche auszutreiben. Seine Geschichte ist aber eine andere. Der traditionelle Mittelstürmer war vor einiger Zeit in die Krise geraten, erwies sich gegen intelligente Abwehrreihen wiederholt als uneffektiv. Wurde der „Neuner“ aus dem Spiel genommen, spielte man de facto in Unterzahl. Die alte Sturmspitze musste sozusagen „beweglicher“ gemacht und mehr in das Restspiel eingebunden werden, häufiger den Strafraum verlassen und die Position wechseln, um sich für den Gegner weniger fassbar zu machen. Das Toreschießen wurde zugleich auf mehrere Schultern verlagert. Die modifizierte Sturmspitze durfte auch als Vorbereiter glänzen. Der FC Barcelona war hier die stilbildende Mannschaft – und Barça war erfolgreich.
Pep Guardiola arbeitete in seinen letzten beiden Spielzeiten als Barça-Trainer ohne eine klassische Sturmspitze. Mit einem „falschen“, „halben“ oder auch „verkappten Neuner“ ließ bereits Johan Cruyff spielen. Wenn der Gegner drei Stürmer gegen Barça aufbot, zog Cruyff seinen zentralen Stürmer zurück, um eine zahlenmäßige Überlegenheit im Mittelfeld zu sichern. Unter Guardiola wurde der „halbe Neuner“ von Lionel Messi gespielt, der von außen in die Mitte zog. Messi war irgendwo zwischen der 9, 10, 11 und 7 anzusiedeln. In dieser Rolle konnte sich er am besten entfalten – zum Leidwesen von mannschaftsinternen Konkurrenten wie Zlatan Ibrahimović und David Villa. In der Tat hatten es klassische Sturmspitzen bei Guardiola schwer. Was aber auch mit Messi zu tun hatte, der dem „Neuner“ keinen Platz ließ. Und Messis Torgefährlichkeit ist ja legendär: Stand heute 312 Tore in 348 Ligaspielen, 83 Tore in 106 Champions-League-Begegnungen. So einem Spieler erfüllt man jeden Wunsch.
Einordnung des „falschen Neuners“
Der englische Taktik-Experte Jonathan Wilson betonte bereits 2010 gegenüber dem „ballesterer“, dass der „falsche Neuner“ zwar auf Spieler wie den Österreicher Matthias Sindelar und den Ungarn Nandor Hidegkuti zurückgeht, die Vorbereiter und Vollstrecker in einer Person waren. Allerdings hätten diese – wie der klassische Zehner – immer mindestens einen Mitspieler vor sich gehabt, was nicht mehr der Fall sein muss, „wenn der zentrale Stürmer, um Platz zu schaffen, auf die Seite wechselt“. Der Unterschied der Generation Messi zu Diego Maradona und anderen klassischen Zehnern sei, dass sie auch über die Flügel kommen, da der Raum im Zentrum immer enger geworden ist. Wilson:
„Man muss immer schauen, wo es Platz gibt, um zu beschleunigen. Wenn du am Flügel spielst und an deinem Gegenspieler vorbei nach innen ziehst, hast du einige Meter Platz bis zum Innenverteidiger. Das Ganze wird noch verschärft, wenn ein Spieler wie Messi den Ball dann auf dem stärkeren Fuß hat. (…) Es sind keine klassischen Stürmer und auch keine Flügelstürmer, weil sie aus dem Raum kommen. Messi geht in der Regel nicht außen an seinem Gegenspieler vorbei, um eine Flanke zu schlagen.“
Es war aber nicht so, dass Guardiola dem „Neuner“ per se eine Absage erteilte. Guardiolas „falscher Neuner“ hat auch etwas mit Anpassung zu tun – Anpassung an das Spielermaterial und hier vor allem an den in die Mitte drängenden Messi.
Mario Götze
Löws „falscher Neuner“ war sicherlich ebenso dem Wunsch nach mehr Flexibilität im Angriffsspiel geschuldet. Aber er war auch aus der Not geboren. In Mario Götze sah man einen „Messi-ähnlichen“ Spieler, der den „klassischen Neuner“ ersetzen könnte. Als Götze vom BVB zu den Bayern wechselte, behauptete Jürgen Klopp, Götze sei ein „Wunschspieler Guardiolas“. Die „Frankfurter Rundschau“ schrieb:
„Er ist sozusagen Guardiolas neuer Messi. (…) Dank seines tiefen Körperschwerpunkts vermag er sich durch kurze Drehungen auf engstem Raum größtmögliche Gestaltungsmöglichkeiten erarbeiten und völlig neue, zuvor für niemanden sichtbare Spielsituationen zu gestalten, er besitzt zudem ein ausgeprägtes Gefühl dafür, im richtigen Moment perfekt temperierte Pässe in die Schnittstellen zu spielen, und traut sich, Vorstöße bis tief in den gegnerischen Strafraum hinein zu laufen und abzuschließen.“
Götze interpretiere seine Rolle „sehr fließend“ und ließe sich „ganz ähnlich wie das Gespenst Messi zu tun pflegt (…) regelmäßig abwechselnd auf sämtliche Positionen im Mittelfeld zurückfallen“. Spieler wie Götze könnten das Spiel der Bayern weiter in Richtung Barça rücken. Das habe ich damals ebenfalls so gesehen. Dass sich die Erwartungen nicht erfüllten, hat vermutlich mehrere Gründe. Dazu gehören auch Götzes Verletzungen. Aber vermutlich haben wir Götze auch überschätzt. Ohnehin weist Götze deutlich weniger Ähnlichkeiten zu Messi auf als immer dargestellt. Er ist Iniesta viel ähnlicher als Messi. Er hat weder dessen Antritt, noch dessen Dribbelfähigkeiten. Daher kann man dessen Rolle durchaus infrage stellen. (Wer sich ausführlicher damit beschäftigen möchte, sei auch auf René Marićs Analyse mit dem vielsagenden Titel „Wie(so) Götze (nicht) zu Guardiola passt“ auf „spielverlagerung.de“ verwiesen.)
Miroslav Klose und Mario Gómez
Der nun viel beweinte Miroslav Klose war auch kein typischer „Neuner“. Klose war technisch exzellent, beweglich, vielseitig. Aber auch ein Klose hat in der Nationalmannschaft nicht Tore am Fließband geschossen, ungeachtet der Tatsache, er bei den WM-Turnieren 2002, 2006, 2010 und 2014 insgesamt 16-mal traf. Bei der WM 2002 entfielen drei seiner fünf Tore auf ein Spiel – auf das 8:0 gegen Saudi-Arabien, als er dreimal per Kopf erfolgreich war. 2006 waren vier der fünf Tore „Doppelpacks“ in der Vorrunde. Sie fielen gegen Costa Rica und Ecuador, die nicht gerade zu den Größen des Weltfußballs zählten. Klose war zwar immer für ein Tor gut, aber es war gleichzeitig eben nicht so, dass er gegen Top-Gegner in Serie traf – ohne dass diese Feststellung Kloses Leistung schmälern soll.
Und Gómez? Der ist mit seinen 1,89 m schon eher ein „klassischer Neuner“. Özils Treffer im Viertelfinale gegen Italien bereitete er aber wiederum „klosemäßig“ vor. Im Übrigen waren die deutschen Probleme im letzten Drittel nicht neu. Sie zeigten sich bereits in der EM-Qualifikation. Gegen die defensiven Iren reichte es in 180 Minuten nur zu einem Tor. Und in der Gesamtabrechnung hatte das DFB-Team nur fünf Tore mehr geschossen als die wenig torhungrigen Iren.
Der „Neuner“ und die Probleme um ihn herum
Ein „echter Neuner“ könnte die deutschen Probleme im Angriffsspiel allein nicht lösen. In Frankreich war ein ebenso großes Problem das Fehlen dribbelfähiger Außenverteidiger, die im gegnerischen Drittel auch mal eine Eins-gegen-eins-Situation erfolgreich gestalten können. Jonas Hector war defensiv stark, in der Offensive konnte er nur flanken. Und seine Flanken waren schlecht. Von 33 kamen nur zwei an. (Wobei Flanken als Mittel auch überschätzt werden. Österreich hat in der Vorrunde über 50 Flanken geschlagen, ohne ein einziges Tor zu erzielen. Gerade gegen tief stehende Verteidigungen hofft man beim Flanken auf Zufall und Glück.) Und Kimmich beendete nur drei seiner neun Dribblings erfolgreich. Hector und Kimmich sind keine gelernten Außenverteidiger. Dennoch könnten sie diese Rolle äußerst gewinnbringend spielen.
Es fehlen aber die offensiven Flügelspieler, die von der Linie kommen wollen. Da dort bei Deutschland zentrumsorientierte Spieler spielen, müssen Hector und Kimmich Breite geben. Ansonsten könnte man sie so einsetzen wie Lahm oder Alaba bei Bayern. Ein weiteres Problem ist das häufig fehlende Tempo im deutschen Spiel, wie u.a. Ralf Rangnick anmerkte. Es gibt wenige Spieler, Draxler war hier gegen die Slowakei die Ausnahme, die im Ballbesitz mit Tempo auf den Gegner zugehen. Es fehlt tatsächlich an Spielern, die in die Tiefe gehen können und dabei den technischen Ansprüchen genügen. Dabei ist es letztendlich egal, ob es sich um Außenverteidiger oder Flügelstürmer handelt.
Mangelnde Auswahl und Implikationen für die Zukunft
Nichtsdestotrotz wiegt das Defizit an offensiven Eins-gegen-eins-Spielern auf höchstem Niveau schwerer als das der klassischen Außenverteidiger. Und natürlich gibt es definitiv einen Mangel an hochklassigen Zentrumsstürmern in Deutschland. Das heißt nicht, dass man nicht auch ohne einen solchen Spielertyp weit kommen könnte. Aber die Wahrscheinlichkeit eines Sieges erhöht sich vermutlich schon mit einem Zentrumsstürmer. Nur ist es nicht Löws Schuld, dass er keinen weiteren mitgenommen hat. Es gibt schlichtweg niemanden neben Gómez, der das notwendige Niveau mitbringt. Nachdem man wunderbare Fußballer ausgebildet hat, gilt es jetzt wieder mehr Spezialisten zu entwickeln, ohne dies immer konkret auf Positionen zu beziehen. Fähigkeiten wie Wucht und physische Geschwindigkeit müssen einfach wieder eine größere Rolle spielen, ohne die Technik und die Spielintelligenz zu vernachlässigen.
Interessant: Bei Borussia Dortmund wird gerade mit Jani Serra ein Spieler ausgebildet, der so ein „Neuner“ wäre. Serra hat bis zur U17 noch als Innenverteidiger gespielt und wurde dann von Hannes Wolf umfunktioniert. Diese Fantasie geht bislang oft verloren und zeigt: Es sollte eventuell mehr um Fähigkeiten gehen als um Positionen. Und ein „Neuner“, der dank seiner Ausbildung zum Innenverteidiger weiß, wie ein solcher funktioniert, könnte von Vorteil sein.
Blick über den Tellerrand: Eine generelle Herausforderung für die „Großen“
Nicht nur Deutschland hatte in Frankreich Offensivprobleme. Nur 2,05 Tore pro Spiel bei dieser EM lassen darauf schließen, dass sich nicht nur die Deutschen darüber Gedanken machen müssen, wie man in Zukunft starke Abwehrreihen knackt. Die DFB-Elf kam in sechs Spielen bzw. 570 Minuten nur zu sieben Toren. Europameister Portugal kam in sieben Spielen bzw. 720 Minuten auch nur zu neun. Deutschland schoss alle 81 Minuten ein Tor, Portugal alle 80. Entscheidend war, dass Portugal in 330 Minuten K.-o.-Fußball (eine Stunde mehr als Frankreich) kein Tor mehr kassierte.
Die EM in Frankreich hat eindrucksvoll demonstriert, wie sich die „Kleinen“ gegen die „Großen“ wehren können. Mit viel Defensive, auch höchst konventioneller Art. Das ist nicht schön, aber es gibt auch kein Gesetz, das schönen und offensivfreudigen Fußball vorschreibt. Für die „Kleinen“ geht es stets ums Überleben – und da ist jedes Mittel recht. Sich hinten rein zu stellen und zu kontern, ist einfach zu trainieren, aber auch für technisch und spielerisch überlegene Mannschaften schwer zu bespielen. Stefan Reinartz, ehemaliger Bundesligaspieler und bekannt für die Konzeption des Analyseparameters „Packing“, kommentierte: „Es wundert mich fast, dass in der Bundesliga so wenige Mannschaften so spielen. Die EM hat gezeigt, dass der als unmodern verschriene Konterfußball erfolgversprechend ist.“ Man mag dies bedauern. Man kann dies aber auch so sehen wie Reinartz: „Die Großen sind im Vereinsfußball ja kaum noch zu schlagen. Wenn man dem eine defensive Kontertaktik entgegensetzen kann, finde ich das super.“
Der Ball liegt somit im Hof der „Großen“. Und zu den „Großen“ gehört auch die deutsche Nationalelf, die sich seit der Revolution von 2004 stark entwickelt hat (wie der deutsche Fußball insgesamt). Aber da sich auch andere entwickeln, und nicht immer in die Richtung, die wir uns wünschen (Löw hoffte nach der Vorrunde auf offenere Spiele, woraus bekanntlich nichts wurde), ergeben sich immer wieder auch neue Defizite. Und bislang ist auch kaum etwas, was auf den Misthaufen von Fußballtaktik und Spielphilosophie verbannt wurde, nicht irgendwann wieder aufgetaucht – häufig in modifizierter Form.
Ausblick – in den Worten von Lucien Favre
Zum Schluss noch eine bemerkenswerte Einschätzung und Prognose von Lucien Favre:
„Es gibt keine taktischen Geheimnisse mehr, der Fußball ist entschlüsselt. Das Einzige, was immer deutlicher wird: Je mehr die Taktik dechiffriert ist, desto mehr rückt die Flexibilität einzelner Spieler in den Vordergrund. (…) Als ich Spieler von Servette Genf war, vor 25 Jahren, traf ich einen Kollegen, der gerade seine Trainerlizenz bekommen hatte. Er sagte mir, dass es in Zukunft nur noch eine Taktik geben werde: das 5-5-System. Kein 3-4-3, kein 4-4-2, nichts Statisches mehr. Nur noch zwei zentrale Linien, aus denen sich Spieler je nach Angriffsverhalten des Gegners lösen und in den Angriff oder die Abwehr einschalten müssen. Der Mann war ein Genie! Der Fußball entwickelt sich genau dorthin.“ — Quelle: „Spiegel“ 28/2016
Ansätze in diese Richtung waren auch bei der EM 2016 zu sehen – und entsprechen Zukunftsszenarien, wie sie Jonathan Wilson bereits 2008/2010 in der ersten Auflage seines Klassikers „Revolutionen auf dem Rasen“ vorsichtig andeutete. In ganz ähnlicher Weise werden bekanntlich auch die Taktikexperten von „spielverlagerung.de“ nicht müde, die offensichtlichen Grenzen traditioneller Formationsschemata mit Blick auf die Myriaden von Möglichkeiten bei der eigentlichen Spieltaktik zu betonen.