Laufdaten, Heatmaps, realtaktische Aufstellungen – auch der gemeine Fußballfan wird bei den gängigen Sendern, Streamingdiensten und Newsportalen mit der zunehmenden Bedeutung von Daten im Fußball konfrontiert. Für die Vereine selbst gehört die Arbeit mit diesen heutzutage ohnehin zum täglich Brot. Daraus resultierend wird auch der Markt an Unternehmen, die Daten zur Verfügung stellen und/oder auch noch evaluieren stets größer. Das junge Bielefelder Unternehmen Matchmetrics reiht sich seit 2016 in die Riege der Datenlieferanten und -analysten ein und versucht, Vereine in ihrer Scouting- und Analysearbeit zu unterstützen. Ihre Kundschaft reicht von internationalen Topklubs über die Bundesligisten bis zu Vereinen aus den Regional- und Oberligen.
Mirko Ronge als Mitgründer und einer von zwei Geschäftsführern sowie der Mitarbeiter Stephan Hagen geben Einblicke in ihre Arbeit, erläutern wie und warum sich das Standing der Datenanalyse bei Vereinen in den letzten Jahren verändert hat und stellen anhand konkreter Beispiele dar, wie sie den Klubs bei der Suche nach Spielern helfen können – und was die Vereine und deren Verantwortliche selbst zum Erfolg beitragen müssen. Denn am Ende – und da können alle Nostalgiker beruhigt sein – gewinnt nicht automatisch derjenige, der die besten und meisten Analysesoftwares bezieht. Wer allerdings mit Daten umzugehen und sie einzusetzen weiß, der erhöht die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg – und darum geht es ja letztendlich.
Mirko, was steckt hinter dem Matchmetrics-Slogan „Decode the game – better Data, smarter decisions“?
Mirko Ronge: Wir versuchen, dieses wunderschöne und doch komplexe Spiel anhand von Daten zu entschlüsseln, damit unsere Kunden bessere Entscheidungen treffen können. Unser Ziel ist es, den Fußball transparenter zu machen.
Wie könnt ihr Vereinen konkret helfen?
Mirko Ronge: Wir möchten ein Modell entwickeln, das uns erlaubt, den Fußball in gewisser Hinsicht zu standardisieren, Spieler auch über Ländergrenzen hinweg zu bewerten, zu vergleichen und dadurch eine Art Währungseinheit für Spieler und deren Leistung zu finden. Speziell in den Bereichen Scouting, Analyse und Kadermanagement, die ja eigentlich das Herz eines Vereins sind, steckt die Digitalisierung häufig noch in den Kinderschuhen. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, diesen Bereich besser und effizienter zu gestalten.
Kannst du das ein bisschen konkreter ausführen?
Mirko Ronge: Wir zeigen, wie man Daten und Technologie dafür nutzen kann, seine eigenen Entscheidungen und Prozesse beim Scouting zu optimieren. Dafür versuchen wir, auf der einen Seite qualitativ sehr hochwertige Daten anzubieten und auf der anderen Seite diese Daten auch direkt durch Softwarelösungen verfügbar zu machen. Um einen Nutzen zu haben, müssen Daten valide, verständlich und zugänglich sein. Valide meint in diesem Fall belastbare Aussagen zu liefern, was sich beispielsweise mit Vorhersagemodellen belegen lässt. Verständlich heißt, dass die Daten in ihren Aussagen nachvollziehbar sein müssen, sowohl in den Konzepten und Kategorien als auch in der Darreichung in Noten, Punkten und Vergleichsmöglichkeiten. Zugänglich heißt für uns die weitestgehend geräteunabhängige Zugangsmöglichkeit, vom Desktop bis zum Smartphone, um überall und jederzeit die Fragen des Users beantworten zu können.
Und am Ende muss sich der Nutzer durch einen Berg an Daten arbeiten?
Mirko Ronge: Ich glaube daran, dass die Arbeit mit Daten Spaß machen muss. Deshalb achten wir sehr auf den Nutzer und unterstützen ihn dabei, die richtigen Fragen zu stellen. Wo will ein Verein überhaupt hin? Wonach sucht ein Scout konkret? Die Frage ist ja: Wann lasse ich welche Daten wie in meinem Entscheidungsprozess einfließen? Ich glaube, hier gibt es gute Vorreiter wie Hoffenheim oder auch RB Leipzig, wo Daten schon in den Akademien ein wichtiger Bestandteil sind.
Ist es richtig, dass Sven Mislintat zu euren Mitgründern zählt?
Mirko Ronge: Ja, das ist richtig. Mit Sven Mislintat, damals Chefscout bei Borussia Dortmund, und dessen damaligem Assistenten Michael Markefka hat die inhaltliche Arbeit bereits 2012 angefangen – offiziell haben wir Matchmetrics dann 2016 gegründet. Heute sitzen wir hier mit über 20 Mitarbeitern und haben ein sehr starkes und agiles Team. Unsere große Herausforderung besteht eigentlich darin, diesen innovativen und vertrauensvollen Kern des Teams zu erhalten. Im Zuge des Wachstums und der Entwicklung des Unternehmens ist das natürlich keine einfache Herausforderung, weil man einfach auch neue Strukturen schaffen muss.
Du hast es eben selbst schon durchklingen lassen: Daten werden zwar immer wichtiger und präsenter, der ganze Prozess steckt im Fußball aber noch in den Kinderschuhen. Wo steht man im Vergleich mit anderen Sportarten?
Mirko Ronge: Gerade amerikanische Sportarten waren und sind diesbezüglich natürlich bedeutend weiter. In der NBA, der NFL oder der NHL ist der Einsatz von Daten und Technologie wesentlich verbreiteter und standardisiert. Mein persönliches Gefühl ist aber, dass die Wahrnehmung und der Einsatz von Daten im Fußball erheblich an Bedeutung gewonnen hat, speziell im Vergleich zu unserer Anfangszeit um 2016 herum, wo das Thema in Bezug auf Scouting und Kadermanagement noch nicht so präsent war. In der jüngeren Vergangenheit hat ein Wandel innerhalb der Vereine stattgefunden, der weiter anhält. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr junge, technikaffine Menschen wichtige Positionen in den Klubs einnehmen.
Erlebt ihr diesen Generationenkonflikt in euren Gesprächen mit Verantwortlichen der älteren Generation?
Mirko Ronge: Ein bisschen ist das so, aber viel weniger als noch vor einigen Jahren. Wobei das vielleicht gar nicht so viel mit dem Alter, sondern mehr mit der durch die Dienstzeit entwickelten Berufsauffassung zu tun hat. Und dem Gedanken, welche Leistung man sich persönlich anrechnen kann. Da hat sich aber schon ein Wandel ergeben, und viele verstehen auch, welchen Wert ein klug eingesetztes Datenscouting für den Verein hat.
500 Wettbewerbe, 5000 Teams, 130.000 Spieler: Woher bekommt Matchmetrics die Daten?
Stephan Hagen: Wir verarbeiten bestehende Event-Rohdaten mittels eines Algorithmus. Dabei kaufen wir zurzeit Rohdaten von einem Drittanbieter, die durch unsere individuelle Algorithmik so miteinander verknüpft werden, dass sie eine besonders große Aussagekraft erhalten. Pässe, die nach vorne gespielt werden und zum Gesamtziel, ein Tor zu erzielen, beitragen, haben einen höheren Wert als ein Querpass, um ein rudimentäres Beispiel zu geben. Künftig streben wir aber mittels unseres Tools Matcheye eine größere Unabhängigkeit von den Drittanbietern an, da wir damit selbst Eventdaten aus Spielen erheben könnten – in einer höheren Datenqualität.
Mit Klubs welcher Kategorien arbeitet Matchmetrics zusammen?
Stephan Hagen: Wir bedienen viele Klubs unterschiedlicher Kategorie. Von Champions-League-Teilnehmern über Vereine aus der Regionalliga oder teilweise sogar darunter, also aus dem Profi- und Amateurfußball. Konkrete Beispiele für prominentere Klubs sind der CL-Rückkehrer Ferencváros Budapest, Arminia Bielefeld und VfB Stuttgart, Austria Wien sowie der schwedische Erstligist BK Häcken.
Und wie sieht die Zusammenarbeit mit Amateurklubs aus?
Stephan Hagen: Wir raten den interessierten unterklassigen Klubs zuerst, das eigene Spielermanagement zu digitalisieren, um sich mit der Thematik des digitalen Scoutings vertraut zu machen. Dazu gehört einerseits die Digitalisierung der eigenen Notizen und Erkenntnisse, aber auch das Erstellen von „Schattenteams“, also die stetige Pflege eines Kaders an interessanten externen Spielern, um bei kurzfristiger Notwendigkeit vorbereitet zu sein und unmittelbar Kandidaten für eine Verpflichtung im Auge zu haben. Für diesen Fall ist unser „Scoutpad“ das richtige Tool und das ist schon für einen vergleichsweise sehr geringen monatlichen Beitrag zu haben.
Es gewinnt nicht immer die Mannschaft, die mehr gelaufen ist, und eine hohe Passquote verliert auch an Aussagekraft, wenn nur quer oder nach hinten gespielt wird. Wie setzen sich eure Ratings zusammen, und wie verhindert ihr es, rein quantitative Daten zu produzieren?
Mirko Ronge: Die Ausgangsfrage ist für uns immer: Welchen Beitrag leistet ein Spieler zum Spiel? Und die ist nicht ganz einfach zu beantworten. Ein normales Fußballspiel hat 2000 bis 2500 unterschiedliche Events und jedes Event hat einen Einfluss auf das Spiel. Unser System baut darauf auf, dass jede Aktion einen Beitrag und einen Wert für das Team schafft – klassische Statistiken haben genau hier ihre Schwäche.
Unser Modell basiert auf dem Ansatz, dass eine Mannschaft das Ziel hat, torgefährlich zu werden. Damit haben wir einen qualitativen Wert, um jede Aktion des Spielers objektiv und datenbasiert zu beurteilen und ihren realen Mehrwert am Spiel zu beziffern. Auf diese Weise lässt sich jede Position für sich bewerten.
Betrachten wir das am Beispiel zweier Innenverteidiger, die sich den Ball hin und her schieben, ohne einen Gegner oder Raum zu überbrücken. Das führt zu einer hohen Anzahl an Pässen und zu einer hohen Passgenauigkeit für die beiden Spieler. Der Wert dieser Daten ist aber fraglich, weil sie dem Ziel, ein Tor zu schießen, nicht näher gekommen sind.
Dem gegenüber steht der Innenverteidiger, der den Weg nach vorne sucht und beispielsweise durch einen Pass direkt auf den Stürmer viele Gegenspieler überspielt und die Mannschaft dem gegnerischen Tor näher bringt. Seine Passgenauigkeit wird sich durch das erhöhte Risiko vermutlich verschlechtern, dennoch trägt dieser Spieler aber stärker zum ursprünglichen Ziel ein Tor zu erzielen bei.
Unter dieser Prämisse lässt sich jedes Dribbling, jeder lange Ball, jede Balleroberung bewerten.
Wo liegen die Grenzen in der Unterstützung durch Matchmetrics?
Mirko Ronge: Wir helfen dabei, Daten zu verstehen und den Prozess zu erleichtern. Aber natürlich gibt es Grenzen. Der Mensch spielt eine wichtige Rolle. Der Fußball ist sehr komplex und hängt auch von sehr vielen weichen Faktoren ab. Passt der Spieler menschlich in mein Team? Wie ist seine Mentalität und sein Verhalten in den Spielen? Die „weichen“ Faktoren sind das, was den Spieler am Ende erfolgreich macht. Und da braucht es auch das geschulte Auge von Scouts.
Ihr habt schon angesprochen, dass die Arbeit mit Daten im Fußball gerade erst richtig ins Rollen kommt. Was wären denn die zu erwartenden nächsten Schritte auf dem Gebiet der Datenentwicklung?
Mirko Ronge: Der Bereich nimmt insgesamt enorm an Fahrt auf. Die neue Datentiefe und die technologische Entwicklung erlauben immer detailliertere Einblicke, um das Spiel besser zu verstehen. Mehr Daten sind aber nicht unbedingt besser. Am Ende gilt es, diese Daten effizient in seinen Prozess einfließen zu lassen. Damit wird das Spiel transparenter. Wir glauben, dass die Informationsgewinnung, also die „Insights“, erheblich an Bedeutung gewinnen. Daten und die Arbeit mit Daten ist kein Selbstzweck. Letztlich geht es immer um die Antworten, die man generieren möchte, um Entscheider bestmöglich zu informieren. Ich halte den Einsatz von Daten für wichtig, aber jeder muss für sich einen Weg finden, wie und wann er welche Daten für sich nutzt. Fußball ist ein komplexes Spiel und Technologien können ein Hilfsmittel sein, um Risiken zu minimieren und Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen. Am Ende der Kette steht im Fußball aber einfach immer noch der Mensch und das ist ganz, ganz wichtig. Daten werden im Fußball den Menschen niemals komplett ersetzen können. Im besten Fall präsentiert man dem Benutzer nur dieses destillierte Endprodukt. Hier gilt es, intelligente Systeme zu entwickeln, die den Prozess möglichst automatisiert unterstützen. Von der Zusammenführung von Daten bis hin zu Prognosemodellen über die Entwicklung von Spielern.
Kann Matchmetrics wirtschaftlich nicht ganz so gut ausgestatteten Vereinen zu mehr Chancengleichheit gegenüber besser gestellten Klubs verhelfen?
Mirko Ronge: Ja. Die Ungleichheit im Fußball führt dazu, dass viele Vereine neue Wege finden müssen, um wettbewerbsfähig zu sein. Kleinere Vereine sind, abgesehen vom Kapital, oft etwas agiler. Ressourcenschonendes Arbeiten wird in Zukunft immer wichtiger – und da können Daten enorm hilfreich sein.
Das Interview führte Kieran Schulze-Marmeling, beim SC Preußen Münster im Bereich Scouting und Talententwicklung aktiv.
Infos zu den Tools:
Scoutpanel hilft Nutzern dabei, alle Spieler innerhalb ausgewählter Märkte im Blick zu behalten und die besten Transferentscheidungen mit den verfügbaren Budgets zu treffen. Die Software wandelt dabei Rohdatensätze von Eventdaten (2000 bis 2500 Datenpunkte pro Spiel) über die eigene Algorithmik in aussagekräftige und objektive Metriken für das Spiel mit und gegen den Ball um. Es ist somit eine Art riesige Datenbank, in der die Spieler in den einzelnen Handlungskompetenzen bewertet sind und der Scout dementsprechend (vor-)filtern und seine eigenen Beobachtungs- und Priorisierungslisten anlegen kann.
Matcheye ist ein modernes Tool zur Eigen-, Team- und Gegneranalyse auf dem neuesten Stand der Technik. Über verschiedenste Widgets und Features wird der gesamte Analyseprozess auf das Wesentliche fokussiert, woraus in weniger Zeit ein besserer Matchplan entstehen kann. Durch die Nutzung von Matcheye arbeiten Analysten und Trainer am Zahn der Zeit und können dadurch zum Pionier ihrer Arbeit werden und somit den Konkurrenten den entscheidenden Schritt voraus sein.
Scoutpad wiederum unterstützt im Speziellen das Sichten vor Ort, das Live-Scouting und dient gleichzeitig als Datenmanagementtool zur Spielerverwaltung. Der Scout kann einzelne Handlungen des Spielers unmittelbar auf dem Handy, verknüpft mit der jeweiligen Spielminute, bewerten und bekommt am Ende des Spiels automatisch eine Zusammenfassung aller von ihm bewerteten Aktionen, die in seiner eigenen Datenbank abgespeichert werden. Es hilft Scouts und Trainern also dabei, die Ursachen des allgegenwärtigen Zeitdrucks zu bekämpfen. Scoutpad dient als digitaler Assistent, um subjektive Erkenntnisse aller Scouts des eigenen Teams direkt an einem Ort zusammenzuführen. Dadurch können Spieler effektiv bewertet und TransfMatcheye ist ein modernes Tool zur Eigen-, Team- und Gegneranalyse auf dem neuesten Stand der Technik. Über verschiedenste Widgets und Features wird der gesamte Analyseprozess auf das Wesentliche fokussiert, woraus in weniger Zeit ein besserer Matchplan entstehen kann. Durch die Nutzung von Matcheye arbeiten Analysten und Trainer am Zahn der Zeit und können dadurch zum Pionier ihrer Arbeit werden und somit den Konkurrenten den entscheidenden Schritt voraus sein.erentscheidungen vorbereitet und dokumentiert werden.