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Fußball

 

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Die Ehe von Fußball und Bier ist fast so alt wie das moderne Spiel selbst. Der Fußball und das Bier – das ist die älteste kommerzielle Verbindung in diesem Sport. Die Aufstiege der berühmten britischen Klubs FC Liverpool, Manchester United und Celtic Glasgow waren zumindest auch das Werk von Bierbrauern und Gastwirten, die im Fußball einen großen Absatzmarkt erblickten. Aber auch in Deutschland waren diese nicht selten erste Mäzene und wirtschaftliche Profiteure des Spiels.

Ohne Bier kein FC Liverpool

Beginnen wir mit England, dem Mutterland des Fußballs. Den FC Liverpool würde es hier ohne Bier gar nicht geben. Denn der Klub wurde nicht zuletzt gegründet, um die kommerziellen Interessen eines Bierbrauers zu befriedigen.

Der FC Everton, gegründet 1878, ist der ältere der beiden Liverpooler Premier-League-Klubs. Everton spielte zunächst an der Anfield Road, vielen nur als Spielstätte der „Reds“ bekannt. Besitzer der Spielstätte war John Houlding, seit 1881 Präsident des FC Everton.

Houlding war Bierbrauer, Freimaurer, Mitglied des protestantischen Oranier-Ordens und Politiker der Konservativen, der Tories. Ein Selfmademan ohne nennenswerte akademische Ausbildung (aber ein begnadeter akademischer Autodidakt). In Everton geboren, sprach Houlding die Sprache der einfachen Leute, betätigte sich als Philanthrop und war entsprechend populär. Man nannte ihn „Honest John“ und „King John of Everton“. 1897 wurde er zum Oberbürgermeister der Stadt am Mersey gewählt.

Houlding war Gründer der Brauerei Tynemouth Street Brewery („Houlding’s Sparkling“) und Besitzer des Hotels und Pubs „The Sandon“ (heute „Oakfield House“, 166–182 Oakfield Road, in Nachbarschaft zu Anfield). 1892 wollte Houlding die Pacht für Anfield Road erhöhen – von 100 auf 250 Pfund. Außerdem beanspruchte er das alleinige Recht für den Getränkeverkauf im Stadion. Der Klub sollte auch noch ein benachbartes Gelände für Trainingszwecke nutzen und dafür eine zusätzliche Pacht zahlen.

Schon 1892 in der Kritik: die Kommerzialisierung des Fußballs

John Houlding
John Houlding,
Bierbrauer und Gründer
des FC Liverpool

Die Vorstandskollegen rebellierten und warfen Houlding einen undemokratischen Führungsstil vor. Der Unternehmer und Politiker würde den Klub nur als ein weiteres Business betrachten.

Houlding erkannte das Potenzial des Fußballs für die Getränkeindustrie und natürlich auch für seine politischen Ambitionen. Aber seine geschäftlichen Interessen kollidierten mit dem Methodismus der Everton-Direktoren. Und hierzu gehörte auch das „Abstinenzlertum“, die Bekämpfung des Alkoholkonsums. Politisch stieß er mit den Liberalen in der Klubführung aneinander.

Seinen Vorstandskollegen behagte auch nicht, dass die Klubgeschäfte des FC Everton von Houldings Hotel „The Sandon“ aus geführt wurden, in dem Alkohol ausgeschenkt wurde. Auch hier waren kommerzielle Interessen mit im Spiel. Nach dem Match versammelten sich die Spieler im Hotel und zogen damit weitere Abnehmer von Houldings Bier an.

Am 15. März 1892 beschloss der FC Everton den Auszug aus Houldings Stadion an der Anfield Road. Houlding behauptete später, nicht die Erhöhung der Pacht, sondern der „teetotal fanaticism“ seiner klubinternen Gegner sei dafür verantwortlich gewesen. Neue Heimat des FC Everton wurde der Goodison Park – nur wenige hundert Meter Luftlinie von Anfield entfernt.

John Houlding besaß nun zwar ein Stadion, aber keine Mannschaft, die dieses mit Abnehmern seines Bieres füllen konnte. So rief er den FC Liverpool ins Leben. Die Besitzstruktur des neuen Klubs unterschied sich deutlich von der des FC Everton. Everton war mehr ein Mitgliederklub. 36 Prozent der Anteile befanden sich in den Händen von Arbeitern. Beim FC Liverpool waren dies nur fünf Prozent. Das Gros der Anteile konzentrierte sich in wenigen Händen, nämlich denen von Houlding und seinen Geschäftsfreuden.

Houlding musste nun eine Mannschaft für sein Stadion finden, Das erste Team des neuen Klubs wurde vorwiegend in Schottland rekrutiert und firmiert deshalb in den Klub-Annalen als „Team of the Macs“. In seiner ersten Saison 1892/93 zahlte der junge Klub dieser Mannschaft aus Legionären insgesamt 12.000 bis 15.000 Pfund an Gehältern.

Industriearbeiterschaft und Bierkonsum

Auch bei anderen Klubs hatten Bierbrauer, Getränkehändler und Gastwirte schon früh das Sagen. In den 1890ern und nach der Jahrhundertwende nahm das Engagement der Brauereien und Wirtshausbesitzer im Profifußball deutlich zu. Das Spiel hatte sich landesweit als Zuschauersport etabliert, da sich die Industriearbeiterschaft seiner annahm. Möglich wurde dies durch soziale Reformen wie den freien Samstagnachmittag und die Verkürzung der Arbeitszeit.

Die Brauereien entdecken im Profiklub eine Brücke zu ihrem wichtigsten Markt – der trinkenden Industriearbeiterschaft. Der Alkohol galt als deren Geißel, weshalb vielerorts christliche Abstinenzler-Gruppen aus dem Boden schossen. Mitte der 1870er soll der englische Mann im Schnitt jährlich 103 Galonen Bier versenkt haben (entspricht etwa 390 Litern). Ein zeitgenössische Beobachter behauptete, dass der Arbeiter in der Schwerindustrie täglich sogar zwischen dreieinhalb und sieben Pints Bier (= ca. 1,7 bis ca. 4 Liter) in seinen Körper schütte. 1899 ermittelte ein Komitee des britischen Unterhauses, dass 15 Prozent der Nahrungsaufnahme eines englischen Mannes aus Bier bestehe. Ein geradezu demonstrativer Bierkonsum sollte auch in den folgenden Jahrzehnten ein bedeutendes Merkmal von Working-class-Kultur bleiben.

Bei Aston Villa saßen in den 1890ern eine Reihe von Hoteliers und Gastwirten im Vorstand, Sitzungen und Feiern wurden häufig in Gasthäusern veranstaltet. In England waren in diesen Jahren mindestens 15 Prozent der Anteilseigner bei den Profiklubs Leute, die aus dem Getränkehandel kamen. In Schottland kontrollierten 1916 die Gastwirte sogar 31,2 Prozent der Anteilsscheine von 23 Klubs. In Nordirland stellten im Juli 1921 beim Belfast Celtic and Athletic Club die 74 Spirituosenhändler die mit Abstand größte Gruppe der Anteilseigner.

„Moneybag United“

Auch in Manchester war es die Getränkeindustrie, die das Spiel finanziell unterstützte und zugleich von ihm profitierte. Als die Brauerei Galloway’s and the Chester’s sich Manchester Citys annahm, erhielten die Gönner das Monopol für den Verkauf von Getränken im Stadion. Und als Newton Heath, Vorläufer von Manchester United, 1902 vor dem Bankrott stand, kam die Rettung ebenfalls in Gestalt eines wohlhabenden Brauereibesitzers namens John Davies.

Um den Klub zu retten, mussten 2.000 Pfund aufgebracht werden. Der Klub wurde von einem vierköpfigen Konsortium aus Geschäftsleuten übernommen. Jeder der Geschäftsleute, darunter Davies, investierte 500 Pfund. John Davies wurde neuer Präsident und spendierte weitere 3.000 Pfund für den Kauf von Spielern.

Nachdem ein Bankrott verhindert werden konnte, folgte die Modernisierung des Klubs, die auch vor dem Namen nicht Halt machte. Newton Heath FC klang zu provinziell. Wie der Nachbar Manchester City erhob nun auch Davies’ Klub Anspruch, nicht nur einen Stadtteil, sondern ganz Manchester zu repräsentieren, und benannte sich in Manchester United um. Der Brauereibesitzer John Davies ist auch der Vater von Old Trafford, dem legendären United-Stadion, das der Klub 1910 bezog. Davies spendete für den Bau 60.000 Pfund. Unter den Fußballfans firmierte der Klub wegen seines wohlhabenden neuen Vorsitzenden bald als „Moneybag United“.

Oben im Schottland beschloss am 25. Februar 1897 eine Mehrheit der Mitglieder von Celtic Glasgow eine Umwandlung des Klubs in eine Limited Liability Company, also Gesellschaft mit beschränkter Haftung / GmbH. Celtic gehörte zu den ersten Klubs in Großbritannien, die diesen Schritt vollzogen. Erster Boss des nun privaten Unternehmens wurde John McLaughlin, Getränkehändler und Besitzer eines Pubs in Lanarkshire. Wie viele Celtic-Männer der ersten Stunde hatte McLaughlin zunächst wenig Ahnung vom Fußball – wohl aber vom Geschäft. Der Vorstand wurde durch Michael Dunbar, John Glass, James Grant, James Kelly, John McKillop und John O’Hara komplettiert. Sechs der sieben Vorstandsmitglieder machten ihr Geld im Gastronomiegewerbe, nur John Glass nicht, der Bauunternehmer war. Der Celtic-Vorstand firmierte deshalb auch als „six publicans – only one glass“ („Sechs Gastwirte – aber nur ein Glas”).

Celtic gab zunächst 5.000 Anteilscheine zum Stückpreis von einem Pfund aus. Größter Aktionär war mit 801 Anteilscheinen James Grant, ein Gastwirt aus der irischen Grafschaft Antrim, der in Glasgows Gorbals, wo viele irische Einwanderer lebten, ein Pub („Grant Arms“) besaß.

Ein Pub als Handgeld

Sportlich wäre Celtic wohl nicht so rasant aufgestiegen, wäre es 1888 nicht gelungen, mit James Kelly einen der begehrtesten Spieler Schottlands an Land zu ziehen. Um Kelly buhlte auch Hibernian Edinburgh. Dass Kelly Celtic den Vorzug gab, hatte auch finanzielle Gründe. Celtic ließ sich seinen Star einiges kosten. Kelly wurde sein Kommen mit einem Pub honoriert. Zwei Jahre nach seiner Ankunft waren auch noch andere Celtic-Spieler im Besitz einer Trinkhöhle.

Eine derartige Politik betrieben auch andere Vereine: Um Profis zur Unterschrift zu bewegen oder sie langfristig an den Verein zu binden, bot man ihnen die Übernahme von Gasthäusern an. So konnte man die Gehaltsobergrenze für Profis unterlaufen. In den frühen 1880ern waren mindestens sechs Spieler der Blackburn Rovers zugleich Gastwirte. Beim FC Sunderland soll in den 1890ern das halbe Team hinterm Tresen gestanden haben. Nicht nur die Fußballer profitierten. Ein prominenter Name als Gastwirt versprach den beliefernden Brauereien höhere Absätze.

Womit wir zum saufenden Profi kommen: Den Profifußball begleitete schon früh der Vorwurf, er fördere den Genuss von Alkohol und somit auch ein ungebührliches Verhalten seiner Akteure. Der frühe Profi wurde in der Presse regelmäßig als Trunkenbold porträtiert. 1896 bemängelte John J. Bentley, von 1894 bis 1910 Präsident der Football League, viele Menschen würden den Profi als „Vagabunden“ betrachten, „der das Gros seiner Zeit im Pub verbringt – abgesehen von eineinhalb Stunden, in denen er seinen Lohn verdienen muss“.

Die Presse neigte zu drastischen Übertreibungen, die einiges über die sozialen Vorurteile gegenüber Profis verrieten. Der Profifußball wurde von jungen Männern aus dem Milieu der Industriearbeiterschaft gespielt, aber die Berichterstattung über das Spiel lag in den Händen von Leuten, die zur Mittelschicht gehörten.

Methodistische Abstinenzler im Profifußball

Die Alkoholfrage spielte im Fußball eine zwiespältige Rolle. Unter den ersten Funktionären der Football League und des Professionalismus in Lancashire und den Midlands findet man eine Reihe methodistischer Abstinenzler, die mithilfe des Sports die in der Arbeiterschaft verbreitete „Seuche“ Alkohol bekämpfen wollten. So William McGregor, der Vater der Football League, oder Charles Suitcliff, der erste Sekretär in der Geschichte der Liga und Sonntagsschulprediger, sowie Charles Clegg aus Sheffield und Walter Hart aus Birmingham, beide in der Temperenzler-Bewegung aktiv.

In Sunderland verkündete 1896 der Geschäftsführer der lokalen Church of England Temperance Society, er wolle Aktien des Fußballklubs erwerben, da sich der Fußball in der Stadt als wirkungsvolle Waffe gegen den Alkoholkonsum erwiesen habe. Ähnlich sah dies 1898 Liverpools Chief Constable. Die Popularität des FC Liverpool und des FC Everton hätten zur Verringerung des Alkoholkonsums in der Stadt beigetragen. Die Männer würden nun nach Arbeitsschluss am Samstag nicht mehr in den nächsten Pub eilen, sondern ins Stadion. Die Sportbegeisterung mache Fußball und Radfahren zu machtvollen Konkurrenten des Besäufnisses, das einst als einzige Abwechslung für die Arbeiter galt.

Doch ob es wirklich so war, ist umstritten. 1900 schrieb der Edel-Amateur N.L. Jackson, ein entschiedener Gegner des Professionalismus: „Die häufig strapazierte Behauptung, der professionelle Fußball hielte die Männer vom Gasthaus fern, wird durch die Tatsachen nicht gestützt. Erst kürzlich hat sich ein alter schottischer Internationaler über den wachsenden Einfluss von Gastwirten im Fußball-Management beklagt.“ Und John Cameron, einst Sekretär der Old Players Union, konstatierte 1906 in „Spalding’s Football Guide“: „Die größte Versuchung, mit der der junge Profi konfrontiert wird, ist der Alkohol. Wenn du ein populärer Spieler geworden bist, denken deine Bewunderer, dass sie ihre Verehrung am besten dadurch zeigen können, dass sie dir ein Bier oder einen Scotch mit Soda spendieren.“

Zwei- bis dreimal in der Woche betrunken

Aston Villa engagierte 1900 sogar einen Privatdetektiv, um das Privatleben seiner Spieler auszuspionieren. Vom schottischen Nationalspieler Jimmy Cowan hieß es, er sei zwei- bis dreimal in der Woche betrunken gewesen.

Das Trinkverhalten vieler Profis korrespondierte mit ihrer sozialen Herkunft. Die Mehrheit der englischen, schottischen und irischen Profis entstammte dem Industriearbeiter-Milieu und betrachtete den Bierkonsum als natürlichen Bestandteil der Arbeiterkultur.

Das Trinkverhalten von Fußballprofis aus dem Arbeitermilieu wurde zusätzlich dadurch befördert, dass sie im Vergleich zum gewöhnlichen Industriearbeiter über mehr Zeit und mehr Geld verfügten. Gewöhnlich wurde an vier Tagen in der Woche jeweils einmal trainiert. Gegen Mittag war der Arbeitstag des Profis beendet. Dann rief der Pub.

Die Beziehung des Fußballs zum Pub und später zur Getränkeindustrie ist also fast so alt wie das Spiel selbst. Die Pubs stellten den Klubs Umkleidemöglichkeiten, manchmal auch das erste Spielfeld zur Verfügung. Und rund um das Spiel ließen die Zuschauer Geld im Pub. Hatten Klubs schließlich ihre eigene Heimat gefunden, floss in den benachbarten Pubs mehr Bier durch die Hähne. 1910 kam eine von Direktoren der Brauerei Mitchells and Butlers in Auftrag gegebene Studie zu dem Ergebnis, dass ihre Pubs in der Umgebung des West-Bromwich-Albion-Stadions The Hawthorns bei Heimspielen des Klubs einen deutlich erhöhten Umsatz verbuchen. Die in Portmouth ansässige Brauerei Brinkwood’s war sogar bereit, vier ihrer Wirtshäuser in der Stadt zu schließen – falls sie im Gegenzug die Genehmigung erhielte, einen Pub beim Stadion des FC Portsmouth zu eröffnen.

Bierstadt Dortmund

Kommen wir zu Deutschland und dem Ruhrgebiet. „Dortmund war schon seit alters eine trinkfrohe Stadt gewesen“, schreibt Luise von Winterfeld in ihrer „Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund“. 1293 hatte König Adolf von Nassau der Stadt das Braurecht verliehen.

1845 wurden bayerische Braumethoden eingeführt, die Dortmunds Ruhm als Bierstadt gewaltig steigern sollten und das lokale Brauereiwesen stark veränderten. An die Stelle einer großen Zahl kleiner Hausbrauereien, die nach mittelalterlichen Überlieferungen arbeiteten, traten nun moderne Großbetriebe.

Die Ehe von Fußball und Bier mag in der Bierstadt Dortmund besonders eng sein, aber ein Einzelfall ist sie keineswegs. Auch in Westfalen lagen viele der ersten Fußballplätze in der Nachbarschaft von Gaststätten, manchmal gehörten sie sogar den Gastwirten. Die Gastwirte stellten den Klubs Umkleidemöglichkeiten zur Verfügung und übernahmen die im Amateurbereich noch heute verbreitete Prämie des gemeinsamen Essens nach dem Spiel. Unter der Woche dienten die Gaststätten den Vorständen als Sitzungsorte. Mit der Entwicklung des Fußballs zum Zuschauersport wurde die Unterstützung eines Teams immer lukrativer. Denn nun versammelten sich auch noch deren Anhänger in der Gaststube. Aber auch der Sportplatz selbst wurde zu einem attraktiven Absatzmarkt. Die Gastwirte und Bierbrauer waren somit die ersten Gewerbe, die mit Hilfe des Fußballs ihren Umsatz steigern konnten.

Fußball und Bier schlagen die Religion

Der BVB wurde im kirchlichen Milieu gegründet. Damit bildet er keine Ausnahme, auch ein Viertel der ersten britischen Klubs ging auf kirchliche Initiativen zurück (Everton, Aston Villa, Celtic …). Das kirchliche Engagement für den populären Fußball sollte zugleich dem schwindenden Einfluss der Religion in der Arbeiterschaft gegensteuern und deren Hinwendung zu sozialradikalen Vorstellungen verhindern. Der BVB entstand aus dem katholischen Jünglingsverein „Dreifaltigkeit“ – allerdings nicht auf Initiative der Kirchenleitung, sondern als entschlossene Protestbewegung gegen kirchliche Bevormundung.

Die Sodalität widmete sich nicht nur der religiösen Erziehung und der Beteiligung am kirchlichen Leben, sondern auch dem Sport, der Musik und dem Theaterspielen. Die sportlichen Aktivitäten wurden im Jahr 1906 aufgenommen. Hier beschäftigte sich der Jünglingsverein zunächst nur mit Turnen und Leichtathletik. Angesichts seines Einzugsgebietes war es jedoch logisch, dass bald auch Fußball gespielt wurde. Der Fußball war für die Einwanderer im Dortmunder Norden ein ideales Betätigungsfeld. Zum Kicken brauchten sie lediglich eine Freifläche und einen runden Gegenstand. Außerdem waren „auf und unter dem grünen Rasen alle gleich“.

Beim Kaplan Hubert Dewald, der 1906 die Jünglingssodalität übernommen hatte, stieß das fußballerische Treiben auf entschiedene Ablehnung. Dewald hasste das „rohe“ Spiel und dessen „kulturelles Umfeld“, wozu insbesondere das Wirtshaus „Zum Wildschütz“ in der Oesterholzstraße am Borsigplatz gehörte. Vor allem aber kollidierten die Spiele der Fußballer mit der Gottesdienstordnung, genauer der sonntäglichen Messe und der Andacht am Sonntagnachmittag. Außerreligiöse Aktivitäten wie Musik, das Laienspiel und der Sport sollten sich nach den religiösen Vorgaben richten. So kam es immer wieder zu Spannungen zwischen dem Kaplan und Teilen der Jünglingssodalität.

Dewald bezog auch von der Kanzel herab Stellung gegen das „rohe“ und „wilde Treiben“ und versuchte die Kickerei einzuschränken, indem er das sonntägliche Kirchenprogramm, das er für die Jünglingssodalität zur Pflicht erklärte, erweiterte. Erst nach der Nachmittagsandacht wurde der Ball freigegeben.

Aber alles Mahnen war umsonst. Dewald hatte die Fußballbegeisterung seiner Schäfchen unterschätzt – Fußball (und Bier …) schlugen auch die Religion. Obwohl einige der Jungs noch zwischen Frühmesse und Nachmittagsandacht als Jungbergleute oder Stahlarbeiter arbeiten mussten, traten sie weiterhin gegen den Ball. Als Dewald auch noch von den Kickern forderte, auf den Besuch des Wirtshauses „Zum Wildschütz“ zu verzichten und stattdessen ihre Treffen in das neue Pius-Gemeindehaus zu verlegen, kam es zum offenen Bruch. Die Gründungsstunde des BVB schlug.

Hubert Dewald, der Kaplan, der weder Fußball noch Bier mochte und damit zum Geburtshelfer des BVB wurde, verstarb 1918 mit nur 36 Jahren. Seine letzte Ruhe fand er nicht in Dortmund, sondern in Gelsenkirchen, auf dem Friedhof der dortigen Liebfrauengemeinde.

Namensgeber Brauerei?

Der BVB verdankt seinen Namen möglicherweise der Borussia-Brauerei, die im Jahr der Vereinsgründung bereits auf eine längere Firmengeschichte zurückblickte. 1871 wurde bekannt, dass die Familie Hoesch den Bau eines großen Stahlwerks nordöstlich vor den Toren Dortmunds plante. Der Unternehmer Hermann Tepel bewies ein gutes Näschen und suchte für seine gleichnamige Brauerei die Nähe des neuen Werkes mit seinen Tausenden durstiger Arbeiter.

1892 wurde aus der „Bayerischen Bierbrauerei“, wie Tepels Unternehmen zwischenzeitlich hieß, die „Dortmunder Borussia-Brauerei“. Der neue Besitzer, Eduard Habich, verkaufte an Freunde und gute Geschäftspartner Anteile seiner Brauerei. Zu seinen Geschäftsfreunden gehörte auch der wohlhabende Heinrich Trott vom Borsigplatz, Besitzer der Gaststätte „Zum Wildschütz“. 1902 gab es wieder eine Eigentums- und Namensänderung: „Dortmunder Hansa-Brauerei“ nannte man sich nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Seit 1972 heißt die ehemalige Borussia-Brauerei „Dortmunder Actien-Brauerei“.

1909 aber hing noch das alte Namensschild der Borussia-Brauerei in der Gaststätte „Zum Wildschütz“, und als die jungen BVB-Gründer dort saßen und über einen Namen für ihren neuen Verein nachdachten, fiel – der Überlieferung zufolge – ihr Blick auf eben dieses Schild?…

Angesichts der lokalen Bedeutung des Brauereigewerbes lag es nahe, dass sich deren Vertreter auch beim BVB engagierten. Der erste große Förderer des BVB war Heinrich Schwaben, Direktor der Union-Brauerei und BVB-Präsident von 1923 bis 1928, der den Verein durch eine großzügige Spende vor dem Ruin rettete.

Der BVB galt noch Jahre nach seiner Gründung als ausgesprochen gesellig. Da den gegnerischen Mannschaften nach jedem Heimspiel im Vereinslokal Schlachtplatten aufgetischt wurden, firmierten die Borussen auch als „Schlachtplatten-Elf“. Und zünftig gesoffen wurde sicherlich auch. Schließlich galt schon damals: Die Gans muss schwimmen, wie es einmal der trinkfreudige Bundesligaschiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder formulierte.

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